UND WO IST GOTT?
Die spinnen, die Finnen Wie »Der Pate« ganz woanders gedreht wurde Ist's das Wetter, ist's die Lage, ist es die große Handydichte? - irgendwas stimmt nicht mit Finnland, einem Land, das einerseits gerade die PISA-Studie gewonnen hat und (im Gegensatz zu Deutschland) einen satten Überschuß im Staatshaushalt stehen hat, andererseits Filme wie die der Kaurismäki-Brüder exportiert - und sich in seiner Literatur darüber lustig macht. Kari Hotakainens Buch Lieblingsszenen handelt von dem arbeitslosen Schlosser und Filmfreak Raimo, der tagaus tagein vor dem Fernseher sitzt, gewaltgeladene Actionfilme guckt und ein Fan des mehrstündigen finnischen Films "Acht Todeskugeln" ist, den Hotakainen so beschreibt, dass er sehr kaurismäkisch klingt. Raimo liest in der Zeitung, das eine US-Filmgesellschaft in Finnland ein gewaltiges Epos drehen will, mit Marlon Brando, James Caan, Al Pacino, unter der Regie von Francis Ford Coppola ... "Der Pate". Weil nämlich in den USA die Mafia sich über den Film ärgert und Coppola sowieso Geld sparen muß, sollen die Innen- und einige Außenaufnahmen in Finnland gedreht werden ("Finnland und Sizilien - das ist doch sowieso fast das gleiche, in beiden Ländern haßt das Volk die Regierung", sagt der Produzent). Und so kommt es. Die US-Crew rückt an, und Filmfreak Raimo versucht verzweifelt, als Berater und Kenner der finnischen Filmkunst unterzukommen. Hotakainen beobachtet völlig ernsthaft die Dreharbeiten, erzählt alle bekannten Anekdoten, die über "Der Pate" bekannt sind (etwa wie Brando gegen alle Widerstände die Rolle bekam), vertieft sich vor allem in Brandos Seelenleben (als der Star in einem finnischen Pferdestall übernachtet, droht ein Skandal, und auch sonst redet Brando am liebsten mit seinem Pimmel -"Du hast mir immer den richtigen Weg gewiesen ...") - und dazwischen wuselt Raimo herum, klaut das Drehbuch klaut und schreibt es um, legt sich mit Coppola an, schickt Brando einen Brief - und über all dem verliert Raimo seine Familie. Seine Frau Ilona hat die Faxen mit der Filmliebhaberei dicke und ruft nun ihrerseits bei Coppola an und geht der Film-Crew auf die Nerven. Und zwischen allem sitzt Gott auf einem Baumwipfel und überlegt, ob er all das nicht besser beenden sollte. Andererseits, denkt Gott: Haben diese Finnen es denn besser verdient? So schrill das alles daherkommt, so ernst und seriös wird es erzählt. Es gibt zauberhafte Sentenzen über das Leben, die Liebe und die Männer (Männer sind aus Papier, denkt Ilona, nur wenn Männer unter Männern sind, werden sie vorübergehend Pappe), und alles endet ganz traurig. Oder auch nicht. Vielleicht lacht der gemeine Finne ja über ein Ende, das nur die Filmcrew heil davonkommen läßt, während der finnische Teil des Romans ziemlich debil und zerstört zurückbleibt ... und, ach ja: Gott hat sich zwischenzeitlich auch abgesetzt. Thomas Friedrich
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Kari Hotakainen: Lieblingsszenen. Aus dem Finnischen von Stefan Moster. S.Fischer, Frankfurt 2001, 348 S., 22,- EU |