STILFRAGEN

Verkommener Dandy

Stilsicher oder widerlich? Bei Sebastian Horsley ist die Grenze fließend

Es ist bereits des Öfteren vorgekommen, dass die USA vorbestrafte oder drogenabhängige Musiker auf Grund ihrer Laster die Einreise verweigert haben. Aber Sebastian Horsley ist vermutlich der erste Autor, dem im Land der unbegrenzten Möglichkeiten seine Lesetour wegen "moralischer Verkommenheit" untersagt wurde. Liest man die Autobiographie des exzentrischen Briten, der sich selbst als Dandy bezeichnet, lässt sich seine moralische Verkommenheit nicht bestreiten, aber eine Gefahr für die Gesellschaft stellt sie nicht dar.

Bevor er 1962 das Licht der Welt erblickte, versuchte seine Mutter ihn mit Pillen loszuwerden. Er selbst glaubt: "hätte sie damals schon gewusst, wie ich mich entwickeln würde, hätte sie zu Zyanid gegriffen." Es ist nicht verwunderlich, dass ein Kind sich eine Überlebensstrategie einfallen lässt, wenn es vor solch einem Hintergrund aufwächst. Sebastian, der als Millionärssohn "mit jedem nur erdenklichen Luxus übergossen wurde - Atheismus, Alkoholismus und Wahnsinn", entdeckte das Dandytum für sich.

Der Hang zum perfekten Stil äußerte sich recht eigenwillig, in maßgeschneiderten Designeranzügen aus rotem Samt oder einem 1000 Pfund teuren rosa Savile-Row-Anzug, in dem er in einem Rolls Royce durch ein schottisches Arbeiterviertel fuhr.

Da wahre Dandys nicht irgendeiner profanen Arbeit nachgehen, versuchte sich Sebastian, neben einer Champagner-Kellerei, die er mit Freunden leertrank, auch in der Kunst. Doch wenn er eins nicht konnte, dann war es malen. Sein Glaube, er müsse Drogen nehmen, um wahre Kunst produzieren zu können, stellte sich ebenfalls nach einigen Jahren als Trugschluss raus.

Leider war er mittlerweile längst crackabhängig, worauf bald die Heroinsucht folgte. Seine "Künstlerkarriere" fand ihren Höhepunkt, als er sich im Jahr 2000 auf den Philippinen kreuzigen ließ. Selbstverständlich nur als eine Art Performanceshow, die er zum Glück überlebte.

Mit viel Wortwitz, poetischem Geschick und einer Kombination aus Arroganz, morbider Grundeinstellung und Widerwärtigkeit erzählt Sebastian Horsley seine Lebensgeschichte als Kampf einer surrealen Persönlichkeit zwischen Selbstzerstörung und Überlebenswunsch. Horsley ist einer der wenigen Autoren, der selbst die Danksagung am Ende seines Buches lesenswert macht.

Janne Hiller
Sebastian Horsley: Dandy in der Unterwelt. Aus dem Englischen von Andreas Leopold Hofbauer. Blumenbar, München 2009, 420 S., 19,90