GEGENSPIONAGE Orgasmen der Weltliteratur Ian McEwan erzählt aus den ungemütlichen 70ern. Seine Bücher sind immer einfach und kompliziert zugleich, seine Plots zugleich nahe an der Wirklichkeit und unübersehbar literarisches Experiment. Und passten nie in ein Regal. Sein neuer Roman Honig ist nun mindestens ein Spionagethriller aus dem Kalten Krieg, eine Liebesgeschichte, eine Abrechnung mit dem englischen Literaturbetrieb und ein autobiografischer Spaß. McEwan erzählt aus der Sicht der mittelmäßig begabten Studentin Serena Frome, die vom britischen MI5 angeworben wird, um als Undercover-Muse einem jungen Dichter bei seinem ersten Roman zu helfen. Der fiel wegen der kommunismuskritischen Haltung seiner Kurzgeschichten auf und soll nun mit weichem Zügel zur Stimme des freien Europa aufgebaut werden. Natürlich verliebt sich Serena in ihr Zielobjekt, natürlich beginnt der, zurück zu spionieren, und natürlich stammen seine Geschichten von McEwan. Die muss man aber gar nicht erkennen, ja man muss nicht mal wissen, dass es tatsächlich solche Literaturprogramme gab. Aber man sollte es lustig finden, dass Serena im Bett ihre Orgasmuslaute mit den Beschreibungen vergleicht, die sie aus der ganzen Literaturgeschichte kennt. Wing
Ian McEwan: Honig. Aus dem Englischen von Werner Schmitz. Diogenes, Zürich 2013, 462 S., 22,90
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