DENKEN
Gabel, Ebene, Fluß Douglas R. Hofstadter weiß immer noch nicht, wie Denken genau geht Seit 20 Jahren dringt der künstlerisch intelligente amerikanische Kognitionswissenschaftler nun schon in Bereiche vor, in denen noch kein Mensch gedacht hat. Oder vielleicht sogar der Computer schon denkt, ohne es zu merken. Mit seinem weltberühmten Gödel Escher Bach-Buch gründete Hofstadter 1980 eine Art New Age-Bewegung der Artificial Intelligence, schlug philosophischen KI-Verächtern ihre eigenen Argumente ausgefuxt um die Ohren - und verblüffte trockene Programmierer mit gebildeten Exkursen über Klavier-Fugen, Vexier-Bilder und die Unbeweisbarkeit der Mathematik. Muster-Erkennung und Rückbezüglichkeit waren Hofstadters Hauptthemen. Die FARGOnauten (nach seiner "Fluid Analogies Research Group") brechen nun zu einer neuen Reise auf. Hinter den Horizont des heute ausgerechnet in der Hirnforschung wieder populär werdenden Physikalismus. Für das Verständnis des Verstehens nämlich, findet Hofstadters Gruppe von Erforschern flüssiger Vergleiche, ist gar nichts gewonnen, wenn man biologische Vorgänge im Gehirn aufschlüsseln oder deren Ergebnisse im Computer nachbauen kann. Aber wenn man Denk-Vorgänge nachbaute, könnte das helfen. Die FARGonauten führt mehrere Versuche von Analogie-Bildungs-Systemen in verschiedenen Bereichen vor: Welche Zahl setzt die Reihe 12212221222 fort (2, aber wie sicher ist das?) - und wie finden wir sie? Was verhält sich zu Amerika wie der Vatikan zu Italien (Indianapolis-Speedway, oder doch das Capitol?) - und warum findet wer welche Antwort einleuchtend? Wenn ich auf meiner Seite des Tisches mit der Gabel an mein Glas klopfe, was mußt du dann auf deiner Seite tun, wenn du "dasselbe" tun sollst, aber mit einem Strohhalm aus der Flasche trinkst ... man kann Computern beibringen, Antworten zu geben, die wir für richtig halten - aber der Fargo-Punkt ist: den "kreativen Prozess" von Wahrnehmung und Denken genauer zu beschreiben, den Menschen als Modell-Computer dabei durchmachen. Der hat was mit Mustererkennung zu tun, aber auch mit dem Verwerfen von Schein-Regelmäßigkeiten, mit paralleler Prokelarbeit mithilfe vieler halbgarer Theorien, mit schwankenden Vermutungen darüber, was wichtig ist, ja was überhaupt da ist - und mit der Bereitschaft, geschmeidig die Betrachtungs-Ebene zu wechseln (es geht um den Klang - oder die Bewegung - oder die Redner-Geste - oder die nächste Bestellung...) - und zugleich fest genug an jede Zwischen-Hypothese zu glauben, um den nächsten Schritt zu tun. Das ist leicht, weil wir alle genau so auf Ideen kommen, und einige von uns so Wissenschaft betreiben - aber das ist auch schwer einzusehen. Nicht zuletzt, weil Hofstadter uns mit einem Wust scheinbar verstreuter Mini-Probleme zuschüttet. Und weil er hier, weit weniger streng komponiert als in seiner frühen Muster-Fuge, eine Reihe zunehmend wilderer (oder doch eher deregulierter ausweichenden?) Analogie-Lösungen über das Wesen der Kreativität liefert. Wem das zu verwirrend ist, der soll das letzte Kapitel zuerst lesen, in dem der noch immer, wenn auch leiser glühende Verfechter der Möglichkeit intelligenter Computer die gefeiertsten Beispiele gegenwärtiger schöpferischer Maschinen (die malen Bilder, schreiben Gedichte, komponieren Bach nach und finden mathematische Beweise) demontiert. Computer können denken, denkt Hofstadter wohl, aber erst, wenn wir wissen, wie es geht. Jedenfalls würden wir es vorher eh nicht merken. WING
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Douglas Hofstadter: Die FARGOnauten. Über Analogie und Kreativität Klett-Cotta 1996, 606 S., 68.- DM |