BLUTIGE GESCHICHTE Schlachthaus Karibik Adam Hochschild beschreibt den Kampf gegen die Sklaverei, der vor allem in England und gegen die Zuckerrohrplantagen geführt wurde Eines Tages beschloss der fundamentalistische US-Präsident Lincoln das Ende der Sklaverei und stürzte sein Land in einen Bürgerkrieg, an dessen Ausgang die Freiheit für alle Sklaven bedeutete. Das ist Blödsinn. Das Ende der Sklaverei wurde von England aus betrieben, im 18. Jahrhundert bereits, vor Ausbruch der französischen Revolution (die trotz "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" nichts mit der Sklavenbefreiung am Hut hatte). Es war ein Kampf um die öffentliche Meinung, wie es ihn so noch nicht gegeben hatte: Boykottaufrufe (gegen karibischen Zucker), Vortragsreisen, Leserbriefe, Pamphlete, Briefe an Abgeordnete - die Bewegung zur Befreigung der Sklaven benutzte alle Mittel der modernen Bürger-Demokratie. So beschreibt es zumindest Adam Hochschild in seinem Buch Sprengt die Ketten höchst eindrucksvoll. Aber auch Hochschild muß am Ende bekennen, dass das Ende letztlich durch die - blutig geführten - Sklavenaufstände in der Karibik begann, als die Schwarzen nach beinahe 250 Jahren brutalster Ausbeutung endlich begannen, ihrerseits ihre weiße Herrschaft zu massakrieren und selbst Napoleons Armee zum Teufel zu jagen. Überhaupt, so Hochschild (der vor Jahren bereits ein hervorragendes Buch über den Kongo verfasst hatte) macht man sich falsche Vorstellungen vom Schwerpunkt der Sklaverei. In den US-Südtaaten ging es den Sklaven natürlich nicht gut, aber gemessen am Schicksal ihrer Leidensgenossen in der Karibik, ging es ihnen in Louisianna, South Virginia oder Alabama beinahe gut. Aus geschätzen 200.000 in die USA entführten Sklaven waren am Ende knapp 2 Millionen geworden. Von geschätzen 4 Millionen in die Karibik verschleppten Schwarzen lebten am Ende noch 600.000. Hochschild spart nicht mit Details der ungeheuerlichen Brutalitäten, mit denen die Herren der Zuckerinseln die Schwarzen terrorisierten. Schon der Weg von Afrika übers Meer war eine tödliche Tortur für die Verschleppten. Die Strafen der neuen weißen Herrschaft waren dabei von Sadismus und Gleichgültigkeit geprägt. Die brutale Produktionsmethode auf Haiti stand jedoch im Gegensatz zum Feingefühl eines aufkommenden Bürgertums, das für sich politische Rechte und moralische Maßstäbe entdeckte, von denen die alte feudale Schicht nichts wissen wollte. Hochschild portraitiert in seinem vorzüglich zu lesenden Werk sowohl den politischen Kampf als auch den Wechsel der Produktionsbedingungen. Als die Sklaverei im 19. Jahrhundert in Europa ihr Ende fand, war die kapitalistische Produktionsmethode längst effektiver geworden. Die Südstaaten der USA hingen, was den Stand der Produktionsmittel betraf, einfach noch zurück. Das sollte sich erst knapp 40 Jahre später änderte. Als die USA die Sklaverei schließlich abschafften, beendeten sie eine Entwicklung, die in Europa längst abgeschlossen war. Die wirklich blutige Geschichte der Sklaverei hatte ganz woanders stattgefunden, in der Karibik, in Westindien, in den Kolonien der europäischen Großmächte. Zu diesen Kolonien gehörten schließlich auch die USA, deren erster Präsident bekanntlich ein Sklavenhalter war. Erich Sauer
Adam Hochschild: Sprengt die Ketten. Der entscheidende Kampf um die Abschaffung der Sklaverei Aus dem Amerikanischen von Ute Spengler. Klett-Cotta, Stuttgart 2007, 504 S., 26,50 / Neben ein paar lässlichen Druckfehlern enthält das Buch auf Seite 324 eine Aussage über die Rolle Trotzkis während des 2. Weltkrieges (!), die grotesk ist. Dass derlei sowohl der Übersetzerin als auch dem Verlag nicht auffiel, ist peinlich.
|