HISTORISCHES
Geschichts-Kontrollen Rückwärtsgewandte Science Fiction-Romane in löchriger Zeit Man kann aus vorgeblichen Zukunfts-Storys manches über die Gegenwart lernen. Und das dringendste zur Zeit wäre wohl, herauszubekommen, warum so viele - drei aktuelle dienen hier als Beispiel - ihre Raumschiffe in die Vergangenheit schicken. Auf unterschiedliche Weisen, aber mit einem offensichtlichen Spaß an übersichtlichen Verhältnissen. Nummer 1: Star Treks Next-G.-Punkt Picard strandet auf einem Experimentalplaneten, auf dem es Drachen gibt. Und Ritter. Und galaktische Wilderer. Die Handlung ist nebensächlich, der Stil vernachlässigbar, die Übersetzung lange lustlos - bis das ganze Personal plötzlich anfängt Nibelungendeutsch zu reden (im Original eher Artus-artig): »"Wie geht dies zu" zeterte Geibel, "Du müßt' ohn' Sinnen liegen?"« Tja, an derlei hat Universal-Translator Horst Pukallus dann doch Vergnügen, schiererdings. Und jeder, der in seinen Träumen noch einen Tjost offen hat. Nummer 2: Die aus alten deutschen Leihbuchvorlagen ziemlich gelungen zusammengebaute "Stargate"-Welt zum Film von Roland Emmerich kriegt inzwischen Romanfortsetzungen aus dem Amerikanischen. An denen nur der pseudo-ägyptische Hintergrund bemerkenswert ist. Band 2 etwa, Das Erbe des Sonnengottes, dreht sich um die Nachfolgekämpfe im Reich des galaktischen Pharao. Und um irdische Ausbeutungsversuche bei den "Primitiven" jenseits des Sternentors. Immer dieselbe Geschichts-Geschichte in bloß neuen Kleidern. Und so dünn gewirkt, daß weitere Fortsetzungen getrost unentdeckt bleiben können. Und erst recht unverfilmt. Nummer 3 ist das dickste Brett: ein Alternativwelt-Abenteuer aus einem britischen Commonwealth, das mit Ätherballonen den Weltraum bis zum Jupiter beherrscht. Darinnen wimmelt es von absonderlichen Kreaturen, auf dem Mars leben Engel - und die Atmosphäre von nassen Pferde-Droschken, jungem Gin und alten Huren weht durchs ganze Universum. Und die Seltsamkeit des Unternehmens wird noch dadurch unterstrichen, daß der deutsche Verlag erstmals seit Menschengedenken vorne ins Buch Pressestimmen zur Originalausgabe druckt: "Als hätte Charles Dickens eine Space Opera geschrieben". Außerdem ist Colin Greenland einer der wenigen SF-Autoren, die Heldinnen ohne dicken Busen erfinden können, die trotzdem ihr Fräulein stehen wider Väter, Freier und Fremde. Und wir verfolgen derweil weiter den Retro-Kurs der Jahrtausend-End-SF. Demnächst mit einem komplett neuerfundenen, nano-technologischen Oliver Twist. WING
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John Peel: Drachenjäger Heyne TB 5415, 315 S., 14.90 DM Bill McCay: Stargate - Das Erbe des Sonnengotts Bastei TB 24219, 250 S., 9.90 DM Colin Greenland: Sophie's Kurs Heyne TB 5496, 479 S., 14.90 DM |