KASERNEN
Kriegsfragmente
Beobachtungen unter Männern, die aufs Morden vorbereitet werden
Irgendwo ist Krieg, junge Männer werden zu Soldaten gemacht. Der eigentliche Grund des Krieges, sagt einer der Soldaten ironsich, ist, uns umzubringen. Die Soldaten lernen Schießen, Marschieren, Gehorchen. Sie denken an zu Hause, an ihr Leben, das vorher auch nicht gerade aufregend war, und gewöhnen sich an den Gedanken vom Tod.
Beinahe absichtslos berichtet der Spanier Josan Hatero in Der Vogel unter der Zunge von der allmählichen Verrohung: Wir werden alle schlechter sein als vorher, schreibt ein Soldat an seine imaginäre Freundin. Der böse Witz dieser Novelle ist jedoch, dass es gar nicht zum Fronteinsatz kommt; es gibt jede Menge Tote in der Kaserne, ohne dass es dazu des Feindes bedürfte.
Der Vogel unter der Zunge enthält kein Wort zu viel, beinahe geizig geht Hatero mit der Sprache um und baut knappe, präzise Sätze, die trotzdem ihre Geheimnisse haben. Zum Beispiel: alle Kapitel tragen Nummern, soweit sie von Männern handeln. Die zwei weiblichen Figuren - die Hauptmannsfrau Victoria und die Arbeiterin Blanca, die einen Deserteur versteckt - wirken in der Geschichte ebenso fehlplatziert wie in dieser Männerwelt. Aber die Kapitel tragen ihre Namen als Überschrift.
Die Stimmung erinnert ein bißchen an Carson McCullers "Spiegelbild im goldenen Auge". Und wie die amerikanische Erzählerin verweigert Hatero jede Stellungnahme. Er erzählt einfach nur. Das wirkt im Ergebnis sehr verstörend. Seine Soldaten kommen gar nicht dazu, zu lernen oder etwas zu begreifen. Sie sind vorher schon tot.
Victor Lachner
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