KEIN KRIMI

Rückschau

Ein Leben in Floskeln - Lukas Hammerstein wollte wohl irgendwie was Allumfassendes zu Deutschland machen.

Deshalb beginnt sein Roman Wo wirst du sein (ohne Fragezeichen, ein alberner und prätentiöser Titel) mit einer Entführung. Die Finanzmaklerin Lisa Locust (Anspielung!) wird von einer Bande halbwüchsicher Weltverbesserer entführt und in eine Wohnung gebracht. Dort trifft sie auf den einzig Erwachsenen, den 50jährigen Max. Der ist ein enttäuschter Publizist (Deutsche Grübler sind immer Publizist, Werbefuzzi oder Architekt). Außerdem ist Max Lisas verflossene Liebe aus Jugendtagen.

Aus diesem sentimentalen Nullachztfuffzehn-Stoff baut Hamerstein eine deutsche Sittengeschichte, ein Händchenhalten mit Gesinnung. Max und Lisa toben durch die jüngere deutsche Geschichte und erklären durch ihre Existenz, wie schwer das irgendwie alles war: Alternative Eltern, alternativlose Karrieren, die Liebe als störendes Element, und wenn man später mal voneinander hörte, dann in dem man einen Artikel in der Zeitung las oder den anderen in einer Talkshow entdeckte; das übliche Leben halt.

In schwermütiger, meist unsentimentaler Sprache schreibt Hammerstein das auf, wobei das, was er für Stil hält, nur undeutlich ist: Wer erzählt da jetzt eigentlich gerade? In welcher Wohnung sind wir? Und wie kommt man hier vom Keller in den Garten?

Am Ende wird auch aus der Entführung nichts, der politische Aplomb der ersten 30 Seiten hat sich sowieso schnell verbraucht zugunsten langatmiger biografischer Details: Als Lisa mal wieder mit dem Bulli nach Italien fuhr...

Max liegt am Ende - wörtlich - niedergeschlagen im Garten, Lisa ist wieder weg, und mit der politischen Aktion war´s auch nichts. Schön geschrieben und süffig zu lesen ist das. Nur klüger wird man dabei nicht.

Thomas Friedrich
Lukas Hammerstein: Wo wirst du sein. S. Fischer, Frankfurt 2010, 256 S., 18,95