CHINA

Taube Tiger

Ha Jin erzählt Witze über den grossen Vorsitzenden

Eigentlich ist der Vorsitzende in diesem Buch eher klein, und genau genommen lässt Ha Jin, der seit 1985 in den USA lebt, in der Titelgeschichte seines Erzählungsbandes Ein schlechter Scherz nur einen Witz erzählen. Und auch der entsteht mehr aus Volkes Mund und Stille Post-Effekten: "Die Preise steigen immer höher, nur der Vorsitzende Deng Xiaoping wächst nicht mehr." Dafür kommen zwei Bauern ins Gefängnis, die nicht mal wissen, das Mao längst tot ist. Und eigentlich bloß ihren Ortsgruppenleiter gemeint haben.


So schürzen sich bei Jin die Katastrophen auf dem Lande, und enden ein bisschen wie klassische Novellen der westlichen Literatur: ein Geschäftsreisender verliert bei einem Erdbeben sein Gedächtnis und gewinnt ein zweites Leben als Landwirt; ein Filmteam versucht, eine Action-Szene mit einem echten Tiger zu drehen, und pumpt ihn so voll Betäubungspfeile, dass der Held dann doch einen Stuntman im Fell verhaut; die Thekenmannschaft eines Cowboy Chicken Schnellrestaurants will eigentlich nur die Essensreste nach der Arbeit mit nach Hause nehmen ... am Ende sind sie alle gefeuert und erfinden die Revolution neu.
Manchmal ist Ha Jin richtig böse (einer wird willkürlich eingesperrt und nicht medizinisch versorgt, obwohl er Hepatitis hat - da geht er nach der Entlassung im Dorf herum infiziert alle Garküchen rund um die Polizeistation), mal ist er hemmungslos romantisch, aber immer sehr chinesisch. Seine Figuren sind naiv und gewitzt, seine Pointen manchmal seltsam stoisch, seine Dramen stecken voller Missverständnisse aus Tradition, Autorität und Modernisierungen. Dass partei-diktatorische System ist ungerecht, seine Schranzen sind Schweine, aber der Amerikaner, der den ersten Hühnchen-Bräter eröffnet, verfehlt das bodenständige Gerechtigkeitsgefühl der Ha Jin-Chinesen ebenso.
Ha Jin schreibt im Original auf Englisch, seine Kurzgeschichten landen regelmässig in den amerikanischen Best Of-Bänden, seine Romane sammeln Literatur-Preise, sein Stil erinnert die Presse mal an Tschechow, mal an Hemingway. Im Grunde ähneln die Geschichten eher den Filmen von Zhang Yimou: im langsamen Gang, im unaufhaltsamen Sinn für das Richtige, im genauen Blick für die kleinste Schale Reis unterwegs.
WING
Ha Jin: Ein Schlechter Scherz Erzählungen. Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck. dtv premium 24307, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2002 280 S., 14.50 Eu