TERROR

Der belgische Patient

Krieg als Satire in »Tod eines Zweisprachigen«

Ein Mann liegt in einem Krankenhaus und versucht sich zu erinnen: Wie er zu den Soldaten kam. Wie er in den Krieg zog und wie die Fernsehsender und Industrie-Sponsoren dafür sorgten, dass er vor der Schlacht auch gut geschminkt war.
Tod eines Zweisprachigen ist eine ziemlich ungeheuerliche Kriegssatire des Belgiers Thomas Gunzig. Geschrieben 2001, vermischt sie Bilder aus dem Balkankrieg und - visionär! - dem heutigen Irak. Obwohl Namen und Länder vorkommen, ist es eine Geschichte im Nirgendwo, denn alles spielt 1978, der Gegner ist anonym; die Atmosphäre erinnert an 1984; es geht nicht darum, den Krieg zu gewinnen, sondern ihn nie enden zu lassen. Den Krieg gibt es nur, weil die TV-Stationen Einschaltquoten brauchen. Auf den Rücken der Soldaten stehen Namen wie Kellogs und Coca Cola. Der Feind ist böse und anonym und terroristisch, einmal gibt es wirklich einen Bombenanschlag, aber verglichen mit dem, was die Soldaten tun, erscheint er geradezu zivil.
Gunzig hat ein paar schauerliche, geschmacklose Einfälle, um seiner Geschichte den nötigen bösen Ton zu geben: Einmal gehen die Soldaten in eine leere, zerschossene Vorstadt. Sie suchen nach Zivilisten, Flüchtlingen. Wenn sie welche finden, füttern sie sie mit Schokolade und lassen sich dabei filmen. Anschließend ziehen sie ab und lassen die Stadt aus der Luft unter einem Bombenteppich zerbröseln; es könnten ja Terroristen unter den Flüchtlingen sein. Wenn die Bomben fallen, sind die TV-Kameras natürlich abgeschaltet.
Der Tonfall des naiven Ich-Erzählers ist trocken, dem hardboiled-Krimi abgeschaut. Er versteht am wenigsten, was mit ihm und der Welt passiert. Seine schlimmste Strafe ist, dass er weiterleben muss. Das Fernsehen hat da längst auf Sportwettkämpfe umgestellt, denn der Krieg bringt keine Quote mehr.
Victor Lachner
Thomas Gunzig: Tod eines Zweisprachigen Aus dem Französischen von Ina Kronenberger. dtv premium, München 2004, 217 S., 14,50 ISBN: 3423243953