LETZTE LIEBE

Routinen des Herzens

Eine melancholische Novelle

Sie verliebt sich in ihn, weil er bei ihrer ersten Begegnung - er kommt als Autor zu ihr, der Verlegerin - so arg zugeknöpft ist. Sie würde gerne seinen obersten Hemdknopf öffnen um nachzusehen, was darunter ist.
Es gibt dümmere Anlässe für die Liebe. Und in Catherine Guillebauds Novelle Zwei Liebende geht es gar nicht um die Gründe eines Liebes-Anfalles (oder, wie in diesem Falle, für eine leidenschaftliche, heimliche Beziehung), es geht, ähnlich wie in Ozons Film 5x2 um die Stationen der Liebe, die Routinen des Herzens.
Mit Distanz beschreibt die Autorin den Weg von der aufregenden verbotenen Begegnung - da beide verheiratet sind, bleiben anfangs nur Hotelzimmer als Treffpunkt - bis hin zum Schmerz, das Leben nicht ganz mit dem Anderen teilen zu können. Beide würden ihre Familien nie verlassen.
Das Besondere dieser kleinen Geschichte liegt weniger in der Handlung oder der damit verbundenen Beweisführung (der letzte Satz des Buches lautet: "Sie muss an die Geschichte über Pferde denken, die allein in ihren Stall zurückkehren") als in der Beschreibung. Guillebaud bleibt ganz bei der direkten Beschreibung der Gefühle, der Personen, sie braucht wenig Biografie, wenig Schauplätze und fast keine Metaphern, um aus dieser Begegnung eine fesselnde Lektüre zu machen. Ganz selten lässt sie Sätze zu wie diese: "Die Kälte umgab alles wie eine schützende Hülle des Schweigens. Man hätte eine Hand voll Luft nehmen und sie wie einen Wattebausch werfen können."
Am Ende wissen wir: das Leben folgt nicht der Liebe, sondern umgekehrt. So macht Guillebaud, nach dem rauschhaften Anfang, aus der Liebe eine wundersam deprimierende Angelegenheit.
Thomas Friedrich
Catherine Guillebaud: Zwei Liebende. Aus dem Französischen von Anne Braun. S.Fischer, Frankfurt 2005, 124 S., 16,90 ISBN: 3100244141