GESCHICHTEN

Red nicht von Liebe

Die Debut-Erzählungen der New Yorkerin Lauren Grodstein

Dass die Liebe nicht funktioniert, ist keine Nachricht. Aber selten ist das so schön beschrieben worden wie in den Short Stories der New Yorkerin Lauren Grodstein: Für unsere zynischen Freunde heißt ihr Debut-Band. Manchmal geht es nur um ein Familienessen. Oder um eine Nacht im Hotel. Oder um einen schnellen Imbiß, nachts um eins, irgendwo auf dem Highway. Immer sind es Kernszenen, aus denen Grodstein ihre Geschichten entwickelt, in dem sie höchst kunstvoll und souverän in die Vergangenheit springt. Und dann ist das Familienessen plötzlich ein Abschiedsdinner für die 23jährige liebende Tochter, die ihren Vater offensichtlich lebenslang bemuttern möchte, weshalb der ihr endlich eine Wohnung besorgt hat; was ihr das Herz bricht.
Die Nacht im Hotel ("Du darfst mich ficken, aber red nicht von Liebe!") scheint ein zwangloses Aufeindertreffen zweier guter Freunde zu sein, beide Journalisten, beide abgebrüht, früher ein Paar. Die Frau scheint die härtere von beiden zu sein, und der Mann hat schon immer getan, was sie verlangte. Als sie dann verlangte, dass er geht, hat er auch das brav getan und ihr damit das Herz gebrochen.
Mit die stärkste Geschichte spielt in einem Highway-Imbiß, nachts um eins, die Ich-Erzählerin ist unterwegs zu ihrer besten Freundin, deren Mutter im sterben liegt. Im Lokal spricht sie ein Mann an, sehr freundlich, verständnisvoll. Und bietet ihr an, statt zur Beerdigung mit ihm nach Pittsburg zu fahren, für eine große Sause durch die Lokale, jetzt, sofort. Wie die Grodstein aus dieser eigentlich platten Konstruktion einen schwer zu lösenden Widerspruch aufbaut (was ist eine beste Freundin, die man mit dem eigenen Kerl im Bett erwischt hat?), wie sie ein doppelt böses Ende in diese Geschichte bekommt - das ist ungewöhnlich.
Vor allem aber leben ihre Geschichten von der wunderbar sarkastischen und präzisen Sprache. Die Geschichte "Gazellen" beginnt so: "Es kursierte das Gerücht, ich hätte dem gesamten Jungs-Fußballteam hinter dem A&P-Supermarkt einen geblasen." - die Ich-Erzählerin gehört zu den Außenseiterinnen der High-School und natürlich nichts dergleichen getan. Aber das Gerücht geht eben um. Sie wird beschimpft, verspottet, belästigt. Bis eines Tages die Highschool-Queen vor ihr steht, dumm, blond, arrogant, wunderschön. Und sie hinter das Schulgebäude führt. Und eine große Gurke auspackt. Und die Erzählerin auffordert, ihr zu zeigen, wie man eigentlich bläst. Und um Gotteswillen niemanden zu verraten, dass sie, die Highschool-Queen, keine Ahnung hat, wie das geht. Das weiß die Ich-Erzählerin zwar auch nicht, aber sie improvisiert munter drauf los. Denn sie weiß, dass die große Blonde ihr jetzt einen Gefallen schuldet. Der letzte Satz ist: "Ich spuckte den Gurkengeschmack aus dem Mund, drehte mich um und machte mich auf den Weg nach Hause."
Thomas Friedrich
Lauren Grodstein: Für unsere zynischen Freunde Deutsch von Barabra Ostrop. dtv, München 2003, 175 S., 14,- ISBN: 3423243597