HELLAS

Gyros Germania

Deutsche Zeitgeschichte aus der Thekenperspektive

Alexandros Stefanidis stammt aus einem griechischen Restaurant in Karlsruhe, wo sein Vater Christoforos Stefanidis in den 70ern den kostenlosen Ouzo nach dem Essen erfand. Und beinahe die Grünen mitgegründet hätte.

Geschickt verbindet der gelernte Journalist Familien- und Zeitgeschichte zu einem gemischten Häppchenteller voller herziger Anekdoten: Wie sein Vater in einem Waisenhaus aufwuchs, auswanderte, sich bei Bosch krumm schuftete, den ersten deutschen Freund fand, seine Wirts-Lizenz kriegte, mit Willy Brandt Pommes aß. Immer tut der Autor so, als sei er dabei gewesen, immerzu treffen sich die großen Themen der Zeit beim Griechen zum Bierchen. Man lernt auch viel, etwa dass die Griechen das Texas Hold Em-Poker erfunden haben, oder dass die "Griechen" in den 70ern eher wegen der Aufbruchstimmung überfüllt waren als wegen der Gyrosberge. Stefanidis ist so überwältigt davon, sozusagen neben dem essenden Herzen Deutschlands aufgewachsen zu sein, dass seine echten Familiengeschichten zu verschwinden drohen. Dabei hätte man sicher lieber erfahren, wieso seine Brüder in Griechenland aufwachsen mussten, als wie gut Gregor Gysi der Vorspeisenteller schmeckte.

Wing
Alexandros Stefanidis: Beim Griechen. Wie mein Vater in unserer Taverne Geschichte schrieb. Fischer, Frankfurt 2010, 256 S., 8,95