ESSAYS
Moderne Zeiten Hermann L. Gremliza erklärt uns die Welt Ein kluges Wort - und schon bist du Kommunist." witzelt Gremliza in einem der 48 Essays, die unter dem Titel Gegen Deutschland gebündelt wurden und zuvor in Gremlizas Blatt Konkret gestanden hatten (zwei Texte beruhen auf Vorträgen). Gremliza gilt als Kommunist oder mindestens "hartleibiger Links-Verleger" (Spiegel), was insofern recht drollig ist, als er vor allem jenen eins hinter die Ohren gibt, die hierzulande als links gelten. Den 68ern höhnt er anläßlich ihrer neuen Kriegsbegeisterung hinterher: "Endlich beginnen sich Geduld und Großmut auszuzahlen, mit denen man seit 27 Jahren einen nörgelnden Nachwuchs ertragen und seine sogenannte Gegenkultur auch noch gefördert hat. Weil nach Auschwitz kein Gedicht mehr geschrieben werden könne, haben sie sich beigebracht, nach Auschwitz zu singen, zu weben, zu töpfern, und dabei das geistige Leben des Landes in einen einzigen Kunstgewerbepark verwandelt." Gremliza ist der Auffassung, "daß die marxistische Theorie ein Skelett war, das der bundesdeutschen Intelligenz nach 1968 zwar einen gewissen Halt gegeben hat, dessen Entfernung sie aber zu einem intellektuellen Gallertklops zusammensacken hat lassen, der sich nur noch in sich bewegen und, wenn er nach seinen seltsamen Metamorphosen gefragt wird, allenfalls zwei Silben blubbern kann: Sta-si.". Wie sehr die Zeiten sich geändert haben, ist Gremlizas gänzlich unorthodoxer Sehnsucht zu entnehmen, der "Obrigkeitsstaat" möge doch verdammt noch mal seine schützende Pflicht tun, wenn es gegen Ausländer geht. In Deutschland ist viel passiert in den letzten Jahren. In einem der Aufsätze formuliert Gremliza sein Entsetzen über den Nationalismus, den der untergegangene Kommunismus hinterlassen hat. Aber: nirgendwo sonst bekommt man eine so ehrliche Rechtfertigung geboten, warum es richtig war, die sozialistischen Länder gegen die kapitalistische Kritik zu verteidigen. Man muß dieser Rechtfertigung nicht zustimmen. Aber sie ist nachvollziehbar. Gremlizas großes Thema ist die "Vergangenheitsbewältigung" der Deutschen, die mit dem Regierungsantritt von Rot-Grün "abgeschlossen" zu sein hat. Ist es ein Zufall, dass Rassismus und Gewalt gegen Minderheiten zeitgleich zunehmen? Nicht zu Unrecht verweist Gremliza darauf, dass Schröder, Henkel, Walser und Fischer das gelungen ist, was Franz Josef Strauß immer gefordert hat: die Deutschen müßten "aus dem Schatten ihrer Geschichte" treten. Sind sie. Fortan geht's wieder um einen Platz an der Sonne. Es gibt viele Punkte in Gremlizas Buch, denen man widersprechen muß (selbst der Klappentext verrennt sich im Überschwang: dass er "für die Menschheit streitet" wird Gremliza nicht mal im Suff von sich behaupten wollen). Gegen Deutschland hat aber den unabweisbaren Vorzug, dass man während der Lektüre sein Hirn benutzen muß; und nicht einen von Kirch oder Endemol geleasten Schädeldecoder. Erich Sauer
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Hermann L. Gremliza: Gegen Deutschland. 48 Nestbeschmutzungen. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2000, 207 S., 28,- DM |