INTERNAT

Raus aus dem Irrgarten

Über Sex, Suff, Schulstreiche und den Sinn des Lebens.

Ein richtig guter Jugendroman spielt im Internat, wo sich der Held (der am besten gleichzeitig auch der Erzähler ist) in einer Identitätskrise befindet. Gottseidank findet er im Internat einen pfiffigen Zimmernachbarn, der nach anfänglichen Schwierigkeiten sein bester Freund wird und ihm alles beibringt, was man mit 16 wissen muss. Später wird der zunächst blasse Icherzähler diesem bewunderten Freund irgendwie überöegen sein.
In Eine wie Alaska, dem Erstling des Amerikaners John Green, kommt das alles so vor. Und der Zimmernachbar hat sogar den Spitznamen "Colonel".
Seit Astrid Lindgren dürfen solch tolle Jungs nicht unter sich bleiben, sie müssen auf ein Mädchen treffen, das viel toller ist als sie. Dann schämen sich die Jungs und verlieben sich in das Mädchen, was natürlich für mindestens einen im Trio nicht gut ausgehen kann.
Neuere Jugendromane sind aufgeklärter als früher. Die Helden rauchen ununterbrochen, sind viel betrunken, und einer kriegt sogar einen richtigen Blowjob verpasst. Auch wenn es dauert, bis er und seine Freundin rauskriegen, dass hier das Gegenteil gemeint ist wenn die Erwachsenen es "blasen" nennen.
Dann kommt der Sommer. Solche Romane müssen im Sommer spielen. Und man muss in ihnen jederzeit mit Sätzen wie diesem rechnen: "'Das Problem mit Pulverkaffee ist, dass er zwar ganz gut riecht, aber nach Galle schmeckt' sagte der Colonel". Und bevor die Freundschaft richtig erwachsen werden kann, stirbt jemand. Und nach dem fröhlichen Sommer lernen wir alle: Der Tod kann dich jederzeit holen. Und weißt du dann, wo du hingehen wirst?
Der gelernte Kaplan John Green benutzt für die notwendige Sinngebungs-Sequenz Garcia-Marquez' genialen Roman Der General in seinem Labyrinth. Darin wird kolportiert, Bolivars letzte Worte seien gewesen "Wie kommt man aus diesem Labyrinth?". Für Freunde kurzer Antworten zitiert Green einen US-Präsidenten, dessen letzte Worte gewesen sein sollen: "Wir gehen alle!"
Man amüsiert sich und freut sich mit Helden und Heldinnen und merkt, dass der Autor die Trauer um den Tod nicht nur als dramaturgischen Kniff benutzt, es ist ihm damit sehr ernst.
Andererseits ist Eine wie Alaska enervierend berechenbar. Man weiß zu jeder Zeit, wie es weitergeht. Das aber, immerhin, ist souverän und witzig erzählt. Wie tausend andere gute Internatsromane auch. Kein Grund zur Aufregung.
Thomas Friedrich
John Green: Eine wie Alaska. Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz. Hanser, München 2007, 280 S., 16,90