BIOGRAFIEN

Das Phantom der Logik

Der seltsame Mathematiker Kurt Gödel

Auftritt und Habitus des Mannes waren derart zurückhaltend, dass Werk und Person heute beinahe vergessen sind: Kurt Gödel gilt manchen als "der bedeutendste Logiker seit Aristoteles" und gehört zu den Gipfelstürmern des 20. Jahrhunderts. Während Einstein und Heisenberg der Physik eine neue Richtung wiesen, machte Gödel sich an die Grundlagen der Mathematik. Dem damals aufkommenden Hype der "formalen Systeme" versetzte er den Todesstoß, indem er nachwies, dass in jedem "formalen System", das mächtig genug ist, um Aussagen über natürliche Zahlen machen zu können, mindestens ein wahrer Satz zu bilden ist, der nicht beweisbar ist.
Was für ein Albtraum das für die Mathematiker darstellt, beschreibt Rebecca Goldstein (die Gödel einmal in Princeton begegnete) in ihrem ziemlich ehrfurchtsstarren Buch Kurt Gödel. Obwohl darin auch biographische Daten gestreift werden - Gödels Kindheit, sein Werdegang und seine Paranoia werden sehr kurz abgehandelt - geht es Goldstein mehr darum, Gödels Bedeutung herauszustellen. Zu diesem Zwek holt sie weit aus, um Wittgenstein, den Positivismus ("eine strenge Theorie der Bedeutung, die großzügigen Gebrauch von dem Wort sinnlos macht"), Bertrand Russell, die Mengenlehre und vor allem Platon vorzustellen. Alle zusammen ergeben einen Bezugssrahmen, innerhalb dessen die Bedeutung Gödels für die Mathematik und die Ideengeschichte insgesamt sehr gut dargestellt werden.
Auch wegen seiner Menschenscheu nennt Goldstein ihr Idol "das Phantom der Logik". Seine Einbürgerung in die USA hätte Gödel beinahe vermurkst, weil er dem leitenden Beamten klarmachen wollte, dass die US-Verfassung einen dramatischen logischen Fehler enthält, demzufolge die Demokratie problemlos durch eine Diktatur abzulösen sei.
Wer sich auch nur ein bißchen für die Geschichte der Mathematik und Philosophie interessiert, wird an diesem gut geschriebenen und sehr gut aufgebautem, Buch viel Freude haben. Auch deshalb, weil es sich auf die geniale Geistesleistung Gödels konzentriert und sein tragisches privates Schicksal - er hat sich wohl aus Paranoia zu Tode gehungert - nur sehr diskret streift.
Erich Sauer
Rebecca Goldstein: Kurt Gödel. Jahrhundertmathematiker und großer Entdecker. Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt. Piper, München 2006, 315 S., ISBN: 3492048846