LEBEN & KUNST

Drollige Nichtigkeit

Joey Goebels satirischer Roman »Vincent«

Der wahre Künstler muss leiden. Lebenslänglich. Ab und zu taucht er in die Tiefen seines schauerlichen Seins und schleppt eine Kostbarkeit nach oben, ein Meisterwerk, geboren aus Melancholie, sanfter Verzeiweiflung und ordentlich Alkohol.
So ungefähr stellt sich das der amerikanische Medien-Mogul Foster Lipowitz am Ende seines Lebens vor. Er war in seinem Leben für haufenweise miese Unterhaltungskunst verantwortlich und möchte jetzt, den tod vor Augen, eine Akademie gründen, an der Wunderkinder frühzeitig an Leiden gewöhnt werden, damit sie später mal große Kunstwerke schaffen.
Vincent ist ein Roman über eines dieser Wunderkinder. Erzählt wird die Geschichte von seinem Manager, der mehr als ein Jahrzehnt heimlich dafür zuständig ist, dass Vincent nicht glücklich wird. Er vergiftet Vincents Lieblingshund, brennt Vincents Haus ab, und sobald sein Schützling sich verliebt, sorgt ein heimlich überreichter Scheck dafür, dass die Herzensdame schnell wieder verschwindet und einen unglücklichen Vincent zurückläßt.
Joey Goebel, gerade mal 25 Jahre alt, hat versucht, eine irving'sche Mischung aus Kolportage, Satire, Medienkritik und Familienroman daraus zu machen, was vorwiegend daran scheitert, dass der junge Amerikaner einfach nichts zu sagen hat. Seitenweise ergeht er sich in Beschimpfungen der Mainstream-Kultur in TV, Radio und Kino, aber was er darüber schreibt, hat man woanders besser, witziger und pointierter gelesen. Die Romanfiguren bleiben konturenlos, soweit sie nicht ein Dasein als dralles Klischee fristen müssen: der verkommene Manager, die herzensgute Ehefrau, die nymphomane Hure, der durchgeknallte Medienmogul, der Action-Star mit Schwarzenegger-Sprüchen.
Die Grundidee ist witzig, trotzdem muss man an keiner Stelle des Romans lachen. Das Ende ist herzzerreissend - und lässt einen vollkommen kalt, weil es so absehbar ist. Goebels Sprache ist direkt und präzise, aber es steht nicht ein einizger Satz in dem Roman, den man sich merken möchte. Goebels Roman, Schwerpunkt im Herbstprogramm des Diogenes Verlages, ist eine drollige Nichtigkeit, der man jederzeit anmerkt, dass sie mit Mühe auf 400 Seiten hochgequält wurde.
Alex Coutts
Joey Goebel: Vincent. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog und Matthias Jendis. Diogenes, Zürich 2005, 433 S., 19,90 ISBN: 3257064853