GLOBALISIERUNG
Faktenreich schnöselig
SZ-Autoren wollen den Welthandel vor seinen Kritikern retten
Danke an Markus Balser und Michael Bauchmüller. Die beiden jungen Wirtschaftredakteure der SZ haben sich aufgemacht, ein bisschen Ordnung in die panischen Diskussionen um den Welthandel, die globale Ausbeutung und die ATTAC-Ideologie zu bringen. In Wirklichkeit nämlich arbeiten Shell und Nike und die anderen Erz-Feinde aller Gutmenschen an der Verbesserung der Weltlage, wenn schon nicht aus moralischer Grösse, dann aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Wenn nur endlich alle Zölle fielen.
Das ist natürlich stark verkürzt. So wie Balser/Brauchmüller auch immer heftig raffen, um einen Punkt zu machen. Und oft zu dem meuchelnden Argument greifen, die Globalisierungskritiker hätten unrecht, gerade weil sie ein paar mal gewonnen hätten. Erfolgreiche Kampagnen von Greennpeace (etwa gegen Duponts Versuch, Mais zu patentieren) zeigten doch, dass der böse Kapitalismus gerade globalisiert zu regeln sei, mithin bloß eine Art Flugblatt-Tiger.
Andersrum: die moralisch scheinbar "besseren" Unterdrückten finden westliche Umweltstandards oft wirtschaftlich untragbar - und prompt verwickeln sich die moderaten Neo-Liberalisten in Widersprüche. Eigentlich meinen sie: ordentlicher Welthandel sei eine Chance, keine Garantie für "Wohlstand für alle". Und obwohl sie immerzu faktenreich schnöselig auf den Attac-Elan als hippiehaft einschlagen, bestätigen sie damit dessen Grundidee: nicht ideologisch Freund und Feinde festlegen, sondern die wirklichen Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtigen. Nicht Welthandel verbieten, sondern fair gestalten.
Die Form des Buches läuft seiner inneren Absicht allerdings entgegen. Die Autoren widerlegen nicht eine Kritik-Ideologie mit Fakten (sie sind wohl zu jung um zu wissen, dass Ideologieen nie mit Fakten, nur mit Kritik zu schlagen sind). Sie beweisen viel mehr bloß, dass eine gute Globalisierung besser wäre als gar keine. Balser/Bauchmüller sollten lieber ATTAC-Mitglieder werden, als auf tumbe Partikular-Interessenten auch unter den Anti-Globulisten herumzureiten. Und sie sollten ihre eigene unverstandene Ideologie kritisieren. Dem "Neger" anzutragen, er solle sich nicht unvernünftiger verhalten als seine gerade verjagten weißen Herren, wirkt sonst eher zynisch als naiv. Und dem Konsumenten hier einzureden, mit dem Kauf von "korrekten" No-Logo-Waren zementiere er gerade ungerechte Verhältnisse, ist schon fast bösartig vereinfachend.
Sie sagen es nicht, aber sie müssen es eigentlich meinen: solange eine Kuh in Deutschland 100 mal mehr Subventionen kriegt als ein Kuh-Hirte in Somalia, ist der freie Welthandel eine Farce. Und sie sagen es immerhin in Nebensätzen: alle Weltwirtschafts-Organisationen haben sich bisher an Marktgesetzen und Menschenrechten vergangen; erst langsam lernen gute globale Unternehmen, dass Fairness länger währt als Kolonialismus; und am Ende stimmen sie in der Analyse der Weltwirtschaft mit ihren Gegnern überein: kein Entwicklungsland darf ungeschützt globalisiert werden, kein Unternehmen schrankenlos operieren. Die genaueren Durchführungsbstimmungen passen auf kein Plakat, zugegeben, aber in diesem Buch stehen sie auch nicht.
WING
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