MARTINIS

Gin mit nochwas

Die Geschichte des wichtigsten Kulturgetränkes der Neuzeit

Der Komiker George Burns wurde einmal gefragt, ob er mit seinen 93 Jahren das Gefühl habe, nachzulassen. Er erwiderte: ,Ich merke da schon ein paar Dinge, zum Beispiel ... wenn ich Rauchringe blase, sind sie kleiner als früher. Und wenn ich Martini trinke, vertrage ich anstatt zwei Oliven nur noch eine'." Die nette Anekdote steht in Gemixt, nicht gerührt - Das Martini-Buch, und zwar direkt unter dem Rezept "Burns on the rocks" (60 ml Smirnoff, 15 ml Noilly Prat Vermouth, 1 Zitronenschale). Recherchiert haben das Anistatia Miller und Jared Brown, die auch vor mutigen Selbstversuchen nicht zurückschreckten (Dirty Martini - 37:52 Gin/Vermouth und 1 TL Olivenlake!!!), um uns ihre weitläufige Shortdrink-Historie möglichst quellengenau präsentieren zu können. Denn zu den Martinis gehören - neben dem trockenen Klassiker - auch so seltsame Mischungen wie der "Nairn Falls (Vodka & Retsina - Schauder!) oder der "Mandarin Martini", dessen Zutaten mit Rücksicht auf die Magenkranken unter uns wir hier besser nicht aufführen. Stammbaum, Urheberschaft und Entwicklungsgeschichte der gepflegten Sauferei (Dorothy Parker bekannte dereinst, nach drei Martinis liege sie unterm Tisch, nach vieren unterm Wirt...) werden locker und lustig erzählt. Daneben lernen wir Substantielles (Schütteln oder Rühern ist egal, aber bitte kein Aluminium verwenden) und Historisches. Daß der Gin etwa aus Holland kommt (dort hieß er noch Genever) und Flemings James Bond deshalb Vodka-Martini trank, weil während des Zweiten Weltkriegs die einheimische Gin-Produktion derart auf den Hund gekommen war, daß der Kenner lieber zu Vodka wechselte. Und wir erfahren, daß Heminway einst einen "Montgomery" bestellte, womit er ausdrücken wollte, daß sein Martini im Verhältnis 15:1 gemixt werden sollte, weil Feldmarschall Montgomery die Deutschen nur hatte angreifen wollen, wenn seine Überlegenheit 15:1 betrage. Womit wir sehen, daß das Saufen und das richtige Leben Hand in Hand gehen. Und der Streit darüber, was ein richtig trockener Martini ist, noch längst nicht entschieden wurde. Miller & Brown gehen soweit, das Ritual des Mixens für das Wesentliche zu halten. Will sagen: wenn man Gin auf Eiswürfel in einen Shaker gibt, schüttelt, abgießt und serviert - hat man einen wirklich trockenen Martini. Weniger dogmatische Puristen erlauben, während des Schüttelns dreimal mit einer Vermouth-Flasche an den Shaker zu klopfen...
Alex Coutts
Anistatia Miller, Jared Brown: Gemixt, nicht gerührt. Das Martini Buch Aus dem Amerikanischen von Annette Hahn. Europaverlag, München / Wien 1998, 192 S., 29,80 DM