AMERICAN GOTHIC

Höllenschlund

William Gays düsteres Debüt »Ruhe nirgends«

Sein Roman Nächtliche Vorkommnisse schlug in die Americana-Abteilungen der Buchhandlungen mit urtümlicher Wucht ein. Rundum gelobt und unmodern wie eine Axt zerstückelte der gelernte Tischler jede Romantik des gesunden Hinterlandes zu einem durch und duch maroden Hinterwäldler-Camp. Jetzt kommt als Nachschlag sein erstes Buch zu uns, mit noch weniger Geschichte und etwas mehr Natur.

Am Anfang bricht die Erde auf. Ein Höllenschlund entsteht irgendwo mitten im Wald, und ab sofort ist nichts mehr ganz geheuer. Der Regen fällt knüppeldicht, der Wind ächzt gehetzt, die Bäume klammern sich ängstlich aneinander: überall herrscht eine schauerromantische Atmosphäre, selbst wenn Gay mal ausnahmsweise Hitzeperioden beschreibt, bei denen die glatten, metallischen Wogen der im Süden vorbeiziehenden Wolken den Eindruck machen, "als bestünden sie aus einer glänzenden Legierung, eine unermessliche Armada, die eine Seuche des Feuers über die Welt bringt und dann weiter zu einem Sammelpunkt aller Stürme dieser Welt flieht."

Dagegen zappeln kleine Menschlein an, machen sich gegenseitig das Leben schwer, betrinken sich, erschießen sich und schauen meistens teilnahmslos zu, wie sich das Böse in ihnen einnistet. Dallas Hardin etwa baut seine Schwarzbrennerei gerne auf Nachbars Grundstück und bringt Nathan Winer, der was dagegen hat, einfach um. Oder er übernimmt Hof und Frau von einem kranken Farmer, der nur noch bettlägerig zusehen kann, wie sich das Böse breit macht.

Zusehen und Wegschauen ist lange das Haupt-Motiv bei Gay. Ob ein Wanderer daran vorbeigeht, dass Hardin offensichtlich von einem bestochenen Sheriff vor der Alkohol-Razzia gewarnt wird (der Roman spielt Anfang der 40er), ob die Dorffrauen bei einem Krankenbesuch weghören, wenn Hardin im Nebenzimmer mit der Frau des Hausherrn Bettfedern quietschen lässt - die meisten verhalten sich zueinander wie zum ewigen Regen. Stoisch, mit eingezogenem Kopf.

Erst Nathan Winer Junior, der nie erfuhr, wohin sein Vater verschwand, wird etwas ändern, als er einen Job bei Hardin übernimmt. Aber das dauert. Und es endet natürlich nicht im Sieg des Guten.

Wing
William Gay: Ruhe nirgends. Aus dem Amerikanischen von Joachim Körber. Arche, Zürich/Hamburg 2010, 344 S., 19,90