ESOTERIK

Kappes & Karma

oder Wir werfen unser Hirn weg und werden alle Frauen

Frauen sind nicht fürs Denken oder so komplizierte Dinge wie Rationalismus gemacht. Hirn ist männlicher Schweinkram. Richtige Frauen fühlen einfach vor sich hin. Richtige Frauen sind purer Sex und wollen einfach "genommen" werden. Sie sind eher den Tieren vergleichbar, ihr Ding ist nicht der philosophische Diskurs, sie sind mehr für Reproduktion und wirklich gute Vibrations zuständig.
Das ist mehr als das übliche Stammtischgeschwätz. Solch flotter Flachsinn findet sich in Texten der esoterischen und ökofeministischen Szene, dort, wo es seit Jahren schick ist, "Hexe" zu sein und sich seiner vorherigen Inkarnationen zu erinnern. Den Eso-Bräuten der "Großen Göttin" hat Birgit Schmidt in ihrem Buch Freundliche Frauen in die Texte geguckt und haufenweise Zeugs gefunden, das frauenfeindlich und antisemitisch ist.
Nun ist jede Szene, wenn sie sich dem Kappes von Karma, Reinkarnation und gefühlten Wahrheiten nähert, nicht mehr angreifbar. Wenn Argumente nur noch "gefühlt" werden ("historische Wahrheiten" über das "Matriarchat" werden von den Damen "halluziniert"), ist Kritik sinnlos. Frau Schmidt aber ärgert sich darüber, wie sehr dieser FeldWaldundWiesen-Feminismus nicht nur ihren Bekanntenkreis sondern auch die feministische Szene unterwandert hat - von Emma bis zur Antiglobalisierungsbewegung - und dass immer mehr Frauen von der Großen Göttin stammeln und jener Zeit nachtrauern, "vor 3000 Jahren", als das Matriarchat herrschte.
Dass es dafür keine Beweise gibt, stört die im Dienste der Erkenntnis delirierenden Damen ebensowenig wie der mit ihrer Ideologie damit einhergehende Antisemitismus. Denn Schuld an allem sind irgendwie die Juden und ihr Gott Jahwe. Der hat alle Göttinnen abgeschafft und das Patriarchat eingeläutet mit den bekannten Folgen Umweltverschmutzung, Aufklärung, Repression (wie unsinnig das ist, kann man der frauenmordenden indischen Gesellschaft ansehen: Eine Religion ganz ohne Männer-Gott - und trotzdem werden Frauen unterdrückt).
Mit dieser Ideologie bewegt sich die Femiökohexen-Szene seit Jahren auf die rechte Ecke zu, dorthin, wo die Nazi-Tussen seit 1937 mit Mathilde Ludendorff und deren "Bund für Deutsche Gotterkenntnis" warten. Wer in rassistischen Kategorien denkt - von den Anthroposophen bis hin zur gemeinen Eso-Husche - sieht natürlich auch in Israel (und den USA) den Grund für alle Übel der Welt. Sicherheitshalber wird deshalb - ernsthaft! - auch schon mal die christliche Ikone Maria durch die "Göttin" Frau Holle ersetzt.
Birgit Schmidt, in der Erwachsenenbildung in Berlin tätig, hat zu diesen Themen in der Szeneliteratur fleißig gestöbert und erklärt uns das wirre Weltbild. Dabei lernen wir fröhliche Ficken-und-Frieden-Vereinigungen wie "ZEGG" kennen, aber auch Neohexen und Friedensaktivistinnen wie Sabine Lichtenfels, die extra zu Fuß nach Israel marschiert, um dort für good Vibrations und freie Liebe zu sorgen.
Wenn Frauen im Namen des Feminismus behaupten, Denken sei unweiblich und wir alle würden uns im Jenseits in "Sommerland" wiedersehen, ist das eine seltsame Spätfolge der Gleichberechtigung: Frauen dürfen jetzt so bescheuert sein wie Männer. Oder anders: Es ist einigermaßen bizarr, einen Lehrstuhl zu erklimmen, nur um zu verkünden, Denken sei ungesund.
In Freundliche Frauen ist viel von der Wut auf die "verlorenen Schwestern" zu spüren. Frau Schmidt argumentiert dabei recht geradeaus und hat meistens auch gut recherchiert. Das Christentum nimmt sie allerdings unnötigerweise gegen die heidnischen Weiber in Schutz.
Dass Gott nicht an allem Schuld ist, bedeutet nicht, dass man ihn zum Nachbarn haben möchte.
Erich Sauer
Birgit Schmidt: Freundliche Frauen. Eine Kritik an der Juden- und Frauenfeindlichkeit des esoterischen Feminismus Alibri, Aschaffenburg 2007, 132 S., 12,-