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Wie Verschwörungstheorien funktionieren und warum wir trotzdem verfolgt werden

Manchmal existieren Verschwörungen wirklich. Cäsar zum Beispiel wurde tatsächlich Opfer einer großangelegten Konspiration und bezahlte seine Ignoranz mit dem Leben. Illuminaten, im Gegensatz dazu, zetteln keine Verschwörung an, weil: es gibt sie gar nicht. Jedenfalls nicht mehr seit 200 Jahren. Dass die US-Regierung ihre Finger im Spiel hatte, als die Flugzeuge in die Twin Towers flogen - das glauben angeblich 20 Prozent aller Deutschen. Dass George Bush ein reptilienartiges Alien aus dem Weltraum ist, das die Weltherrschaft für Seinesgleichen vorbereitet - das glaubt fast niemand.
In Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer untersucht der gelernte Mediziner Thomas Grüter, wie Verschwörungstheorien funktionieren und warum wir manches glauben, anderes nicht. So rückt er etwa den berüchtigten "Protokollen der Weisen von Zion" erst einmal mit historisch-kritischen Mitteln zuleibe, andererseits versucht er durchaus klinisch zu erklären, warum Menschen sich verfolgt fühlen, woran man einen Wahn erkennt und warum wir Gerüchte über Juden eher glauben als über Radfahrer.
Die Kurzfassungen der Untersuchungsobjekte - von Guy Fawkes bis 9/11 - sind schnurrig und locker zu lesen. Die Erklärungen hinter den Wahrheiten sind teilweise etwas schlicht. Manche Gerüchte überleben, weil wir sie glauben wollen, schreibt Grüter. Da kann man drauf kommen. Auch sein Versuch, eine Liste der Verschwörungskomponenten zu erstellen (der Großteil des Buches befasst sich mit Wahnideen, nicht mit tatsächlichen Verschwörungen), greift etwas kurz. In Merksätzen zählt Grüter auf, was man für eine Verschwörungstheorie braucht, und zählt dazu auch unbedingt die "Dämonisierung des Gegners" - etwas, das bei Ufo-Verschwörern greifen mag, auf Herrn von Däniken hingegen nicht zutrifft, was schade ist, denn natürlich ist Däniken vollkommen durchgeknallt.
Hilfreich sind die Hinweise auf Arbeitsweisen, etwa bei Mathias Bröckers, Erich von Däniken oder Andreas von Bülow, die gerne "genau" zitieren, dabei aber entweder Zitate verfälschen oder falsche Quellen zitieren. Derlei schleppt sich in den Zeiten des Internet, viel nachhaltiger durch die Geschichte als früher. Jeder zitiert jeden, jeder "hat da mal was gelesen" - ob diese unselige Informationsvermehrung eine neue Qualität der Verschwörungstheorien erzeugt, ob solche wirren Theorien heute deshalb mächtiger oder wirkungsloser sind als bisher: dies zu untersuchen wäre spannender gewesen als in einem drangeklatschten Nachwort dem Ursprung des Wortes "Verschwörung" nachzugehen. Bei allem aufklärerischen Nutzen wirkt Grüters Buch seltsam unstrukturiert, als sei es aus verschiedenen Arbeiten zusammengebaut worden.
Erich Sauer
Thomas Grüter: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren Scherz im S.Fischer Verlag, Frankfurt 2006, 320 S., 17,90 ISBN: 3502150478