Rock'n'Roll

Harte Jahre

Für seine Autobiografie musste der Kiss-Gitarrist Ace Frehley auf das Gedächtnis seiner Freunde setzen: Er selbst hat in all den Drogenräuschen zu viel vergessen Es begann mit einer Anzeige: "Gitarrist gesucht. Handwerklich fit, optisch ansprechend." Der junge Rock 'n' Roll-Gitarrist Ace Frehley, der eigentlich Paul Daniel Frehley heißt, besass seiner Meinung nach mehr als genug von allem, bewarb sich und wurde genommen.

Zusammen mit Gene Simmons, Paul Stanley und Peter Criss erarbeitetet Frehley das Konzept der Band. Mit Make-up, Plateau-Schuhen und haarsträubenden Kostümen, einer spektakuläre Bühnenshow (brennende Gitarren, Feuer- und Blutspucken) und mitreißender Hard Rock wollte man sich von anderen Bands unterscheiden. Die Idee für diese Band namens Kiss stammte von Stanley, das Logo mit den markanten Doppelblitzen von Frehley.

Der kometenhafte Aufstieg von KISS zu einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Hard Rock-Bands ist Musikgeschichte. Kein Geheimnis ist, dass das nicht reibungslos ablief. Besonders zwischen Frehley und Simmons bestand eine herzliche Abneigung, die bis heute andauert. Frehley wollte Musik machen, Spaß haben und das Leben eines Rockstars führen. Simmons legte großen Wert auf den kommerziellen Erfolg und wollte als alleiniger Macher gelten.

In seiner Autobiographie Keine Kompromisse (eine freie, aber nicht unpassende Übersetzung des Originaltitels No Regrets) berichtet Frehley offen und anekdotenreich von seiner Jugend, seiner Zeit mit Kiss und dem Leben danach. 1982 stieg er zum ersten Mal aus. Nach einer Wiedervereinigung von 1995 bis 2002 kam es dann zum endgültigen Bruch.

Zu den stärksten und spannendsten Kapiteln des Buches gehören jene Passagen in denen Frehley von seiner Jugend in der Bronx und den Anfängen seiner Musikerkarriere berichtet. Als musikalischer Autodidakt gesteht er ehrlich, dass er bis heute keine Noten lesen könne. Juli 1970 gelang es ihm, beim New York Pop Festival in den Backstage-Bereich zu gelangen und zum Roadie von Jimi Hendrix zu werden. Auch anderen Rock-Größen durfte er assistieren. Das ließ in ihm den Wunsch aufkommen, seinen Lebensunterhalt mit Musik zu bestreiten. Natürlich verschweigt Frehley auch seine ausschweifenden Drogen- Alkohol- und Sex-Exzesse nicht. Trotz beständigen Mahnungen wirken seine Schilderungen hier manchmal fast unpädagogisch positiv. Seine Sucht ließ ihn jedoch irgendwann zum Wrack werden, dass mehr tot als lebendig war.

Bei Kiss stellte sich Simmons zunehmend als Kontroll-Freak heraus. Ständig sollten neue Zielgruppen erschlossen werden, um durch Merchandising die Einnahmen zu steigern. Für Frehley passte es dagegen nicht zum Image einer provokanten Hard Rock-Band, wenn Butterbrotdosen mit dem Konterfei der Musiker verkauft wurden.

Inzwischen ist Frehley seit Jahren trocken. Für Teile seiner Biographie musste er aber auf die Erinnerung von Freunden und Wegbegleitern zurückgreifen. Die Drogen forderten ihren Preis und haben seinem Gedächtnis irreparable Schäden zugefügt. Keine Kompromisse ist durch Frehleys humorvollen und selbstironischen Ton aber stets angenehm zu lesen und gewährt ungeschminkte Einblicke in das Leben eines Rockstars.

Olaf Kieser
Ace Frehley mit Joe Layden und John Ostrosky: Keine Kompromisse. Aus dem Amerikanischen von Andreas Schiffmann. I.P. Verlag Jeske / MAder GbR, Berlin 2012, 256 S., 21,90