GESCHICHTE

Ein Kaiser für alle

S. Fischer Fabian entdeckt Karl den Großen neu

Aufmerksame Leser dieser Zeitschrift wissen, dass wir eigentlich gar nicht an den Karl glauben, der traditionelleren Vor-Zeitschriftstellern gerne als Vater Europas gilt. Sogar die Standard-Historiker hängen den "realen Karl" inzwischen tiefer. Wer den Kaiser aber nur aus Politikerreden kennt, soll sich von S. Fischer-Fabian ein bisschen was erzählen lassen.
Der Mann hat seine Meriten als Populär-Historiker mit eigenem Stil und bürgerlichem, aber freien Kopf. Wer zum Beispiel Joachim Fernau mag, wird Fischer-Fabian lieben. Und einen Karl kennen lernen, der sich keiner Mode fügt.
Etwa den Sachsenschlächter: Keinen Grund sieht unser Autor, das Christianisierungs-Gemetzel bei Verden an der Aller weg zu interpretieren. Es waren eben harte Zeiten, und Karl kann groß und grausam sein. Oder Karl den Bildungspolitiker: Die "modernen" Dekrete zur Schulpflicht hält F.-F. für echt, erzählt aber schöne Anekdoten davon, wie die Reform im komplizierten Ständewesen beim Landadel versandet. Oder Karl den Lebemann: ein Haufen Frauen und Konkubinen, ein eigenes Huren-Haus mit Whirlpool noch für den Greis, und ein diskreter Umgang mit den Lovern seiner vielen Töchter, die nicht heiraten durften. Oder Karl den Militär: die Roland-Sage wird als dreiste Propaganda-Lüge entlarvt, aber dass die fränkischen Panzerreiter nicht mal Steigbügel hatten, entgeht F.-F. ...
Dafür liest er sich leicht weg. Eine nette Einführung für jeden, dem die neulich hier gelobte Karl-Biographie des Fachhistorikers Hägermann zu dick ist. Und ein Genuß auch für solche, die den Kaiser und den ganzen Gründungsmythos von Europa für erfunden halten. Dann ist es eben ein lehrreicher historischer Roman.
WING
S. Fischer-Fabian: Karl der Große. Der erste Europäer Bastei-Lübbe Nr. 6183, Bergisch-Gladb. 2002 343 S., 8.90 EU