Seelenschau Von innen Ein Kind bringt die Welt einer Frau durcheinander Tagsüber putzt und hilft sie im Haushalt einer Familie: Vater, Mutter, Tochter und Sohn, die sie aber, abgesehen von der Mutter, nie zu Gesicht bekommt. Abends schmiert sie Sandwiches in einer Bar. Früher hat sie als bildende Künstlerin gearbeitet und gelebt, aber irgendetwas ist geschehen, irgendetwas hat sie aus der Bahn geworfen, das merkt man beim Lesen schnell. Immer wieder betont sie, wie es früher war, doch die Andeutungen, was zu diesem "früher" und "heute" geführt hat, erfährt der Leser nicht gleich. Ihr selbstauferlegtes Exil, ihre Angst davor, mit anderen Menschen zu kommunizieren, wird erst gebrochen, als sie eines Tages eine Nachricht von dem Jungen der Familie erhält, deren Wohnung sie in Ordnung hält. Ein kleiner Zettel ist es nur, versteckt unter der Bettdecke, auf dem der Junge sie darum bittet, das Wasser in seinem Fischglas zu wechseln, da er das nicht kann. Und plötzlich passiert etwas mit Topolina; der kleine Junge, den sie noch nie gesehen hat, wird zur fixen Idee. Sie antwortet ihm mit eigenen Nachrichten und es entsteht ein reger Austausch: Fragen werden gestellt, Dinge werden verschenkt, sie sucht sogar auf der Facebookseite seiner Mutter nach Fotos von ihm und hängt sie riesengroß in ihrem Atelier auf. Topolinas Leben erfährt eine Wendung, die sie niemals geahnt hätte. Fast nebenbei beginnt sie wieder mit ihrer künstlerischen Arbeit, sie verreist an ihrem Geburtstag, trifft einen alten Freund und die beiden verbringen eine Nacht miteinander, sie kündigt ihren Job in der Bar. Dann fragt die Mutter des Jungen Topolina, ob sie Zeit hätte, an einem Tag in der Woche auf ihn aufzupassen. Topolinas Seelenleben ist der treibende Faktor in dieser Geschichte. Sie überlegt viel, deutet viel, macht sich Gedanken, malt sich aus ... das wird auf die Dauer ein bisschen anstrengend, vor allem, weil die wenigen sich nicht wiederholenden Dinge mit viel Bedeutung aufgeladen werden. Trotzdem entwickelt Astrid Waliszek eine Spannung, die einen in der Geschichte hält. Sacha Brohm
Astrid Waliszek: Der Fisch ist ein einsamer Kämpfer. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Hoffmann und Campe, Hamburg 2013, 174 S., 19,99
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