KINO

Da wurd ihm übel

Kurt Scheel mag sich selbst, und dann erst John Wayne

Inzwischen kann man für die "taz" und für den "Merkur" schreiben. Heraus kommt dabei ein Stil gediegener Unterhaltungsradikalität, nicht immer sicherer Bildungshuberei (man verwechselt schon mal Bloch und Adorno) und eine ätzende Gemütlichkeit, die sich ihr Recht auf Unterhaltung damit rechtfertigt, daß man außerhalb der Kunst ja schon radikal genug sei, hier, in der Filmkritik, will man sich amüsieren; der Kinobesuch als visuelle Puff-Visite. Ob solch eine Vorstellung von Kino, Kunst und Amusement reaktionär oder einfach nur strunzdumm ist, sollen andere klären.
Kurt Scheel ist "taz"- und "Merkur"-Autor und besitzt die seltene Gabe, alte Geschichten zum xten Male langweilig aufzuwärmen. Jedenfalls habe ich schon lange nicht mehr solch einen zusammengegurgelten Quatsch gelesen wie Scheels versammelte Aufsätze in Ich & John Wayne.
Schon die Systematik ist keine. Erst lobt er vorwortmäßg das Genre-Kino, quält sich mit je drei Buchseiten dann durch den "Ritterfilm" (mehr als 5 kennt er nicht), den "Western" (na gut, 10 hat er gesehen), den "Lachfilm" (alles von Fatty Arbuckle bis W.C. Fields) - und ist plötzlich bei Eric Rohmer, was ja noch keine Schande, aber eben auch kein Genre ist. So geht das holterdipolter durch Scheels Vergangenheit. Was auch immer er in seinem langen 40jährigen Leben über Filme gedacht haben mag: hier ist's unsortiert zusammengestellt, angereichert durch so köstliche Wortspiele wie "spermanent" (statt "permanent") oder "Bunzrepublik"; zum Schießen, der Mann.
Wir dürfen nachlesen, warum Das Schweigen der Lämmer Porno ist und nicht ins Kino gehört (für sieben gilt das gleiche), daß Liberty Valance eigentlich das Ende des Western darstellt, und daß Thelma Ritter eine ganz tolle Nebendarstellerin in Misfits war. Wow! Die gedankliche Tiefe unterschreitet dabei niemals das Niveau eines verzogenen Kleinkindes, überschreitet sie allerdings auch nie; Das Schweigen der Lämmer gehört nach Scheels Meinung schon deshalb nicht ins Kino, weil ihm, Scheel, während der Vorstellung schlecht wurde. Für die Obduktion von Wasserleichen, so Scheel, solle man die Tagesschau anstellen, was die bisherigen, schon umstrittenen Kritikermitteilungen "Hat mir nicht gefallen!" oder "Das interrrrässirt mich nischt!" um die unvergleichliche Scheel-Variante erweitert: "Kunst, bei der mir schlecht wurde". Bei jedem Filmkritiker stünden dabei erst einmal die Eßgewohnheiten in Frage, Scheel schiebt's auf den Film.
So richtig erschütternd aber ist der Niedergang der "Edition Tiamat" im Klaus Bittermann Verlag, der Scheels Seichtwerk herausbringt. Bittermann hat vor 10 Jahren die Bücher herausgebracht, die mir beibrachten, solch labbrigen Scheiß wie diesen hier zu erkennen und zu verachten. Wolfgang Pohrt, wo bist du!?
Thomas Friedrich
Kurt Scheel: Ich & John Wayne. Lichtspiele Edition Tiamat, Berlin 1998, 231 S., 39,80 DM