FANTASY

Bücher-Welt

Lara Croft jagt Shakespeare-Helden

Dies ist das Buch für Leute, denen Terry Pratchett zu ungebildet ist, Harry Potter zu unliterarisch und Dylan Thomas zu unlustig. Nach einer Karriere im Film-Bizz (vom Kaffeeholer bis zum Kamera-Assi) und 76 Ablehnungen von renommierten Verlagen, poppte Jasper Fforde Ende des letzten Jahrhunderts als veritables Feuerwerk an den englischen und amerikanischen Literaten-Himmel. Jetzt kommt Der Fall Jane Eyre nach Deutschland.
Der Fantasy-Thriller spielt in einer seltsamen Parallelwelt, in der das Buchwesen hipper ist als bei uns Popmusik, in der eine Spezialpolizei literarischen Verbrechen nachspürt (SpecOps T-Shirts available), Neo-Surrealisten sich Straßenschlachten mit der Ben Johnson-Oldschool-Posse liefern und die Zeugen Bacons mit dir an der Tür über den wahren Autor von Shakespeares Werken reden wollen. Außerdem dauert der Krim-Krieg noch immer an, Richard III. wird in Kneipen mit Audience Participation aufgeführt, ach ja, und Zeitreisen kommen vor.
In dieser Welt entführt ein Superverbrecher Personen aus Roman-Manuskripten, und Miss Thursday Next, eine Art Lara Croft der Bibliophilie, muss das wieder einrenken. Köstlich. Auch wenn im Deutschen und für nur schwache Kenner von Wordsworth, Milton und Charlotte Bronte natürlich manche Anspielerei ins Leere geht. Es bleibt genug zum herzlichen Schmunzeln übrig, beinahe zu viel sogar für einem runden Roman. Ein paar Szenen scheinen schon aus den Fortsetzungen (bisher 2 in England) hinein geraten zu sein. Dafür lässt der deutsche Verlag im Buch viele Witze weg, die Fforde im Internet (www.jasperfforde.com) mit seinem Kosmos veranstaltet: etwa downloadbare Updates der englischen auf die amerikanische Fassung oder umgekehrt incl. eines Patchs, das die Kapitel davon abhält, sich nach dem Zuklappen des Buches alphabetisch neu zu arrangieren.
Neben der Kurzstrecken-Alberei und Tounge-in-Cheeks geht's auch durchaus ernst zu: es gibt Tapferkeit an der Front hier, die Friedensbewegung da, Träume von ewiger Liebe, eine leninistische Volksrepublik Wales, aber auch echte Tote und ein Waffenschieber von Staats wegen, der trickreich in ein Gedicht von Edgar Allan Poe abgeschoben wird - dank gentechnisch manipulierter Bücherwürmer, die Texte fressen, Konsonanten scheissen und die Energie liefern für eine Maschine, mit der man Bücher betreten kann. Ähnliche Maschinen gab es allerdings schon in der trivialen SF-Literatur, etwa bei Heinlein und L. Sprague De Camp. Aber der National-Waliser Jasper Fforde liest wohl keine Kolonisten-Prosa.
Ein Fehler der deutschen Fassung: es gibt einen Führer für Nicht-Briten zu The Eyre Affair, der sich gut im Anhang gemacht hätte - da ist er aber nicht. Man muss ins Netz gehen zu www.jasperfforde.com/reader/readerjon2.html.
Ein Appetizer: der langweilige Herr, den unsere Heldin in DFJE (Fans kürzen das so ab) heiratet, wird in Band 2 (Lost in A Good Book) von der Zeitpolizei ausradiert. Wir können es kaum erwarten.
WING
Jasper Fforde: Der Fall Jane Eyre. Aus dem Englischen von Thomas Mohr. dtv, München 2004, 380 S., 14,50 ISBN: 3423243791