LANDLEBEN

Wuchten und freischneiden

Zwei Städter erleben das Abenteuer selbst gezogenen Gemüses

Max Scharnigg ist typischer Vertreter einer urbanen Gruppe junger Menschen, die ihr Geld mit Schreiben und anderen, wenig greifbaren Dingen verdient. Er ist in der Redaktion von jetzt.de und veröffentlicht im SZ-Magazin. Mit seiner Freundin lebt er in München. Schöne Stadt, tolle Freunde, super Leben.

Eines Tages fahren er und seine Freundin, die er wohl ironisch gemeint immer als "das Fräulein" auftauchen lässt, übers Land und da packt es die beiden. Angeregt durch die Begegnung mit Kürbissen, die frisch vom Acker am Straßenrand verkauft werden, nehmen sie sich vor, auch anzubauen.

Die Suche nach einem Stück Land, das beackert werden kann, gestaltet sich schwieriger als gedacht. In die Schrebergartenkolonie kommt man nur über mafiöse Verbindungen, und einen Garten gibt es auch nicht. Da hat die Mutter "des Fräuleins" die rettende Telefonnummer parat. Das Pärchen ruft Frau Haindl an und ist bald Mietpartei eines Stücks Acker, 20 Minuten vor den Toren Münchens gelegen.

Und jetzt geht es richtig los. Die Stadtkinder müssen säen, bewässern, ernten, Spinat in Mülltüten in die Stadt überführen und sich mit Erdflöhen, Schnecken und Dürren auseinandersetzen. Den Rahmen steckt die Natur selbst: Max Scharnigg berichtet von der Zeit zwischen März und Oktober. Jedes Wochenende verlassen die beiden nun die Stadt, um zu sehen, wie sich winzig grüne Halme ihren Weg durch die Erde suchen. Sie erkennen, dass Unkraut plötzlich auftauchen kann, genauso wie eine Kleinfamilie Schnecken im Salatkopf. Doch immer öfter können sie mit prallgefüllten Körben voller selbstangebauten Gemüses in die Stadt zurückfahren. Feldversuch ist ein wunderbar unaufgeregter Bericht über die Flucht aus der Stadt. Die beiden Neubauern entwickeln sich im Laufe dieses Berichts zu lässigen Eigenanbauspezialisten, die ihre Freunde in der Stadt mit den Früchten des Ackers davon überzeugen, dass jeder Stadtmensch einmal im Leben in der Erde wühlen sollte, um Kartoffeln auszugraben. Und genau das gelingt Max Scharnigg. Schon auf den ersten Seiten fühlt man sich ertappt, wie man überlegt, ob es nicht auch in der eigenen Umgebung eine Möglichkeit geben könnte, wo man mal so guckt, wie das sein könnte: eigene Kartoffeln ausbuddeln. Das ist locker erzählt, hier und da mit einigen humorigen Vergleichen und Feldanfängereinlagen versehen und überzeugt charmant.

Sacha Brohm
Max Scharnigg: Feldversuch. Unser Stück Land vor den Toren der Stadt. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2012, 220 S., 8,99