FAMILIEN

Gesellschaftsporno

Matias Faldbakken ist böse und in »Unfun« am Ende angelangt

Die afrikanisch-skandinavische Anarchistin Lucy berichtet von ihrer gewaltbeladenen Vergangenheit und den letzten Tagen ihrer Familie, wenn man diese als eine solche bezeichnen möchte: Ihr Ex-Ehemann Slaktus, ein solariumverbrannter, gewalttätiger Fitnessfreak hatte die Idee zu einem Online-Slasher-Game und bindet Lucy und ihre gemeinsamen hyperaktiven computerspielsüchtigen Zwillingssöhne in dessen Umsetzung mit ein.

Die Produktion des Spiels bildet den Hintergrund für ein groteskes Familiendrama, das in einem Blutbad endet. Während sich der massakerähnliche Showdown zusammenbraut, berichtet Lucy in Rückblenden immer wieder von ihrer Kindheit und ihrer Vergangenheit mit Slaktus. Unter anderem erfährt der Leser dabei, dass sie damals mit fünfzehn eigentlich keine Zwillinge sondern Drillinge bekommen hatte, aber beiden ein drittes Kind zu viel war, worauf es kurzerhand von einem befreundeten Arzt umgebracht wurde.

Anteilnahmslos berichtet sie von den unzähligen Vergewaltigungen durch Slaktus und seinen Schlägen, die sie über sich ergehen lassen hat. Dabei weiß man als Leser nicht, ob einem wegen ihrer Beschreibungen oder wegen ihrer nüchternen Art, darüber zu berichten, schlecht wird. Lucys Eigenschaft, die sie auch an ihre Söhne vererbt hat, ist es, in angstbehafteten Situationen hysterisch zu lachen. Ein Aspekt, der viele Szenen noch grotesker macht als sie auch so schon wären.

Der skandinavische Autor Matias Faldbakken schreibt böse, ekelhaft, zynisch, politisch inkorrekt und grandios wie kein Anderer. Gerade wegen seiner Grenzüberschreitungen ist er auch nicht unumstritten. Mit Unfun, dem finalen dritten Teil seiner "Skandinavischen Misanthropie", bringt er seine Leser an die Grenzen des Ertragbaren. Während man im ersten Teil The Cocka Hola Company, in dem es um eine Pornoproduktionsfirma und ihre Mitarbeiter geht, noch durch viel Situationskomik und skurrile Protagonisten in schallendes Gelächter ausgebrochen ist, oder selbst im schon weitaus grenzüberschreitenderen zweiten Teil Macht und Rebel in dessen Handlungsmittelpunkt Sex mit Minderjährigen steht, stellenweise lachen musste, bleibt einem hier das Lachen im Halse stecken. Deshalb ist Unfun auch eher ein Roman für eingefleischte Faldbakken-Leser, alle anderen sollten erstmal mit Teil eins seines Gesellschaftspornos beginnen.

Janne Hiller
Matias Faldbakken: Unfun. Aus dem Norwegischen von Max Stadler. Blumenbar, München 2009, 266 S., 19,90