FÄRÖER

Im Kargen

Eine Story-Sammlung aus dem nördlichen Inselparadies

Zwischen Norwegen, Schottland und Island liegen 18 ziemlich kleine Inseln im Nordatlantik. Gerade mal 48000 Menschen wohnen auf den Färöer, die 1948 ihre Unabhängigkeit von Dänemark erklärten und sich heute zwar keine Armee und keinen Außenminister, aber eine Universität und eine Fußballnationalmannschaft leisten. Und die vermutlich jüngste Literatur Europas: Nur knapp 100 Jahre alt ist der erste Roman in der Landessprache.
Etwa diese Zeitspanne umfassen auch die Erzählungen, die Verena Stössinger und Anna Katharina Dömlimg in ihrer Insel-Anthologie versammeln. Die werden alle interessieren, die zum Norden und zum Meer neigen, zu kargen Charakteren und knorrigen Storys, Mord- und Totschlag - und überraschenden Witz.
"Ich war dreizehn, als ich beschloss, einen Roman über Liebeskummer zu schreiben", so fängt eine Geschichte aus dem 80ern an - aber weil es auf den Färöer einfach nicht genug Liebeskummer gebe, will der jugendliche Erzähler in einer Fremdsprache schreiben. Zufällig verschlägt es ihn in den Regenwald ... aber das ist eine andere Geschichte. Allerdings eine typisch färöische.
Auf engstem Raum begegnen sich in allen Texten schwerblütige Sagas und das moderne Leben, mythische Trolle und keifende Pfarrersweiber, sturmzerzauste Naturschilderungen und komplizierte Grübeleien über die Rolle als Schriftsteller. Die Literatur der Färöer ist nicht freundlich, auf den Inseln wächst kein ordentlicher Baum. Aber trotzdem kommen die Färinger immer wieder dahin zurück.
WING
Verena Stössinger / Anna Katharina Dömling (Hg.): Von Inseln weiß ich ... Geschichten von den Färöern. Div. Übersetzer. Union, Zürich 2006, 381 S., 22,90 ISBN: 3293003664