EVOLUTION

Darwins Schwanz

Zwei Spinner ziehen an der Mehrheitsmeinung - in verschiedene Richtungen

Die Welt, das Universum und der ganze Rest ... sind entweder aus einem Punkt erklärlich - oder brauchen an jeder rätselhaften Ecke einen neuen Stups von aussen. Die erste Ansicht heisst seit Newton "Wissenschaft" - die andere greift gerne auf Götter und UFOs zurück. Dabei ist die Theorie, es gebe eine Letztursache für alles, im Grunde mystisch-metaphysisch-religiös ... und die Praxis, immer nur den nächstliegenden Verursacher zu suchen, die eigentlich vernünftige weltliche Methode.
Zwei vom Mainstream und voneinander extrem abweichende Denkmodelle über Her- und Fortkommen des Lebens führen gerade vor, wie durcheinander man deshalb beim Nachdenken über den Anfang von allem kommen kann.
Fred Hoyle zum Beispiel ist gelernter Astronom - und seit Äonen eingeschworener Urknall-Feind. Ein Universum mit einem Anfang schien ihm von Beginn an unlogisch ("was war vorher - warum ist es jetzt und nicht später?") - inzwischen mag er auch die Evolutionstheorie nicht mehr. Dass sich das Leben allmählich aus Nicht-Leben entwickelte, erscheint ihm unwahrscheinlich; dass der Darwinismus eher eine Kampfhaltung gegen verbohrte Christen als echte Wissenschaft war, scheint ihm offensichtlich. Die Bibel hat nicht recht, der Mensch entsteht, statt erschaffen zu werden, aber Mutation und Selektion können den göttlichen Funken, schon rein statistisch, nicht ersetzen.
Stattdessen schlägt Hoyle in Leben aus dem All vor, sozusagen die Grippe erblich und die Evolution ansteckend zu machen. Neue Gen-Programme rieseln aus dem Weltraum auf uns nieder - und neue Anpassungsleistungen pflanzen sich als Viren in der Erbsubstanz fort. Aufwendig weist er nach, dass Organismen sogar bis Spitzmausgrösse via Meteoreinschlag biologisch aktiv auf der Erde landen könnten; statistisch korreliert er Keuchhusten-Epidemien mit der Umlaufbahn des Kometen Encke ... und sein Lebensregen soll erklären, wieso das Leben auf der Erde zufällig genau in jenen 200 Millionen Jahren (3,6 Milliarden Jahre zurück) entstehen konnte, als die Bedingungen hier danach waren. Und wieso bis heute nie ein einzelnes Individuum zu einer anderen Art mutierte (und dann mangels Paarungs-Partner gleich ausstürbe), sondern scheinbar immer nur stets gruppenweise im Genpool gebadet wird.
Für die Erde, räumt er ein, klinge das fast wie Schöpfungsgeschichte - aber eigentlich will er den Evolutions-Gedanken aus terrazentrischen Fesseln befreien, ausweiten statt abschaffen: Darwin ist überall, die Ursuppe stand nicht auf unserem Ofen ... und wenn Hoyle beim Argumentieren nicht so wahllos zwischen den indischen Veden (die das Leben als kosmisches Phänomen sahen) und englischen Landärzten herumspränge (die Influenza-Vektoren ohne Überträger aufzeichneten) ... man würde bei jeder Sternschnuppe das Seuchenkommando rufen. Aber sicherheitshalber sollte man die nächste Kometen-Mission mit einem Bio-Filter ausrüsten.
Ganz anders Hans-Joachim Zillmer. Der gelernte Bauingenieur hatte mal ein Urlaubserlebnis in Texas, da wo seit Jahrzehnten Dinosaurier-Fußspuren ausgegraben werden ... und manche Dellen im versteinerten Lehm aussehen wie ein Fuß- ja Schuh-Abdruck. Wenn aber Menschen, nackt oder gar bekleidet, mit den Donnerechsen wandelten, dann stimmt an der herrschenden Erdgeschichtslehre gar nichts mehr.
Leider diskutiert Zillmer nicht, was denn nun genau von den, in Spinnerkreisen längst bekannten, aber auch bei ihm schlecht dokumentierten Funden zu halten ist. Stattdessen hebt er gleich ab in ein Phantasma, nach dem die Bibel doch ziemlich recht hat. Vor 8000 Jahren ging die Welt unter, vorher lag das Lamm beim Löwen, der Urmensch beim Tyrannosaurus - nachher schuf die Sintflut genau die Erdverwerfungen, die uns heute als ur-lange Geschichte erscheinen.
Hoyle findet Darwin geozentrisch-gestrig und hält seine Kometen-Theorie für die umfassendere Wissenschaft (in der der Lebensfunke dann "normal" ist und gar kein Wunder mehr), Zillmer findet Darwin unwissenschaftlich und legt alle Funde genau anders herum aus als Hoyle. Hoyles Universum ist uralt und voller Leben, Zillmers Erde ist jung und frisch umgegraben. Vermutlich ist beides falsch, aber um das zu beweisen, bracht man eben Wissenschaft.
WING
Hans Joachim Zillmer: Darwins Irrtum. Vorsintflutliche Funde beweisen: Dinosaurier und Menschen lebten gemeinsam Langen-Müller, München 2000, 304 S., 39.80 DM ISBN: 378442709X
Fred Hoyle und Chandra Wickramasinghe: Leben aus dem All Zweitausendeins, Frankfurt 2000, 272 S., 25.- DM