EUROPA Gurkentruppe Henryk M. Broder findet den gemeinsamen Markt überschätzt Er hat die Abweichler gewählt, hat der streitbare Publizist jüngst zugegeben. Die Euroskeptiker, denen weniger streitbare Publizisten gleich Rechtsabweichung vorwarfen, weil sie die Eurobürokratie öffentlich "entartet" nannten. So eine dumme Blöße gibt sich der in der BILD vorabgedruckte Schlammschmeisser in seiner kleinen Philippika Die letzten Tage von Europa. Wie wir eine gute Idee versenken natürlich nicht. Er sammelt nur wohlfeilen Ärger auf (Europa hat uns die Energiesparlampe eingebrockt), geißelt die Entlohnungspraktiken (ein Übersetzer in Brüssel verdient mehr als ein Facharzt in Braunschweig) und führt den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz als Kronzeugen gegen sich selbst an. Einerseits hat der gesagt "Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden - aus Mangel an demokratischer Substanz." Andererseits das Paradebeispiel für einen wegen lokalen Versagens zum Zentral-Moloch weggelobten Politikers. Er und alle bei der Krake Beschäftigten, können gar nicht anders, als zum eigenen Auskommen die Maschine weiter zu füttern. Broder findet viel Fürchterliches an dem Konstrukt Europa, und wenig Nützliches. Irischen Whisky gab es auch vorher schon, Konflikte mit Wanderarbeitern auch nachher noch. Aber nie zuvor gab es so viele Agenturen, die transnationale Papiere mit Lösungsvorschlägen produzieren, die vor Ort keiner anpacken will. Und wenn dann mal ein Gipfel aller Arbeitsminister Europas einen Sonderetat gegen Jugendarbeitslosigkeit beschließt, dann kostet der mehr, als die 1400 Euro pro Kopf im Budget. Broder weiß nur einen Ausweg: Ein Moratorium. Erstmal alles auf Halt setzen und von Grund auf neu diskutieren. Etwa so, wie es die Briten wollen. Und vor allem ohne den alternativlosen Automatismus, mit dem sich der Schuldenstaatenbund selbst ruiniert. Da ist was dran. Aber zumindest in Sachen Gurken hat sich die EU doch als lernfähig erwiesen. Seit 2011 dürfen sie auch wieder krumm auf den gemeinsamen Markt kommen. Wing
Henryk M. Broder: Die letzten Tage Europas. Wie wir eine gute Idee versenken. Knaus, München 2013, 223 S., 19,99
|