ABENTEUER
Paradiessucher
Ursula Naumann erzählt von einer Expedition in den Orient
Es ist ein seltsam ungleichzeitiges Vergnügen, sich durch diesen Expeditionsbericht zu kämpfen, durch Sandstürme und Untiefen, von 1836 bis heute. Damals sucht eine englische Expedition einen Seeweg nach Indien. Zwei Dampfschiffe, damals modernste High-Tech, wurden auf dem Landweg nach Syrien gebracht. Von dort aus sollten sie den Fluss bis zum Persischen Golf abfahren, Depots anlegen, Verträge schließen, Poststationen errichten. Der Handel hätte davon profitiert, nicht mehr um Afrika herum zu müssen, und die englische Politik ergriff die Gelegenheit, Präsenz im Nahen Osten zu zeigen.
Vor allem aber reiste der bunte Haufen von Wissenschaftlern, Militärs und Laien zu den Quellen der orientalischen Mode. Jeder kannte damals die Geschichte von Königin Zenobia und ihrem Aufstand gegen das römische Weltreich, alle Zeitungen waren voll von Harems-Anekdoten. Die Moderne besuchte eine prächtige und rätselhafte alte Kultur, in einer Gegend, in der man das biblische Paradies vermutete.
Die Moderne erlitt Schiffbruch, wörtlich und geostrategisch. Einer der Flussdampfer sank, fast die gesamte Besatzung ertrank. Es war das Titanic-Erlebnis des Viktorianischen Zeitalters. Und es war für Pauline Helfer die Reise ihres Lebens. Als Frau des deutschen Schiffsarztes war sie an Bord gekommen und machte sich in Männerkleidern bald zur Seele des Unternehmens. Hauptsächlich aus ihren Reisebeschreibungen komponiert Ursula Naumann ihren Bericht, der nicht nur ein vergessenes Abenteuer neu erzählt, sondern auch Anschlüsse an die Gegenwart bietet. Ob die arabischen Stammesführer ihre Gäste als "Ferenqi" ansprechen (Sammelname für "Franken") oder ob wir Ortsnamen wiedererkennen, überall zeigt sich, "dass wir mit den Problem und in einer Welt von gestern leben", wie Ursula Naumann im Nachwort sagt. Man versteht mit diesem Buch zwar weder den Irak noch den Islam besser, aber vielleicht den Orient im europäischen Herzen.
WING
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