ESSEN
Für Flaschen Zwei Führer zu Wissen und Anstand bei Wasser und Essig Kultur ist, wenn man's trotzdem macht? Obwohl die Bücher für ihren Inhalt - und die darin behandelten Flaschen für unsere Verhältnisse - eigentlich zu teuer sind? Mal kosten: Im Herbst 95 fand die erste große Blindverkostung von Essigen aus aller Welt in Deutschland statt. Die saure Flüssigwürze ist damit von einem alten Sprichwort ("alles Essig") zur Trend-Gastritis geworden: Wer keinen Tradizionale di Modena an die Pastas spritzt, der frißt auch Toastbrot - und wer seinen Vinegar nur vom Discounter holt, der weiß wohl nicht, wie Saure Zipfel munden (Rostbratwürstel, gekocht in Spätburgunder-Acetat mit badischem Kastanienhonig). Clauss' Buch (Werte siehe unten) klärt da auf, und neben jeder Menge Schleck-Mecker-Sentenzen gibt es auch Nutzwert für Kleinhirn und -Küche: Essig wird von Bakterien verdaut, die bilden eine Essig-Haut, und alles was drin liegt wird haltbar ... und wenn man's trinkt, mag man nix Süßes mehr ... Zum Beispiel. Tolles Buch, tolle Preise (bis zu 100 Mark für ein Sherryglasvoll), tolle Flaschenformen eh, eine echte Entdeckung für uns dumme Plastik-Essenz-Benutzer ... Aber ein Apfeltropfen aus dem Reformhaus tuts nach der Lektüre auch (1 Mark für ein Wasserglas). Und soll schlank machen. Im Frühling diesen Jahres (ja wo ist er denn?) trank ich meinen ersten Kasten Minimalwasser nach 20 Jahren leer. Statistisch bin ich mithin eine Wüste: 100 Liter sind es sonst pro deutschem Kopf und Kalender - dafür lese ich seitdem alles, was über "enteisent", die Hydrogenkarborundung und dergl. geschrieben wird, bis zur Neige aus. Spannendes Thema das, was man gar nicht so auf edel trimmen sollte, wie Claus Arius (Werte siehe unten) es tut; der sich glatt zu fein dazu ist, von allen über 500 Mineralwässern der Republik die Etiketten abzuschreiben - und stattdessen gänzlich unmineralisches Regenwasser aus Hawaii oder isländische Gletscherschmelzen mitrezensiert. Trotzdem: wer je nach einer Brille rief, um Natriumarmut (völlig unegales Kriterium) oder Sulfat-Anteil (geschmacksmitbestimmend) im Lösungsmittelhandel zu überprüfen, dem hilft's - und, neben den üblichen Blasen am Wortschatz ("Diese Stoffe bilden den Wert eines Wassers"), holt man sich damit eine recht exakt verkostete Einkaufshilfe (Bielefelds "Christinen" richtig als salzend rausgeschmeckt, Respekt). Mit dem Ergebnis: trink regional - die NRW-Wässer sind allesamt empfehlbar (auch der unentschuldbar fehlende "Marienbrunnen" aus Borgholzhausen). Wohingegen echter "Tasmanian Rain" eher schal als witzig und sauteuer ist. Ganz wie das Mineralwasser-Buch im tiefsten Grunde. Aber eine pricklige Beilage zum nächsten Eiswürfel-Treffen (nur aus stillen Wässern bereiten!) und ein Quell des Blödsinns ist das Buch oben auch. Besonders dankbar aber bin ich Laie in Überflüssigkeiten für den Hinweis, daß die Coca-Cola-Firma einfach simples, mikropures Kraneberger so hoch-sparkelt und auf-erdigt, und Cpt. Picards Synchronstimme das Produkt so leichtwiegig tv-hypt, daß ich's ums Haar getrunken hätte. Und noch 'ne Lesefrucht: CO-2-reduzierte Wässer sind weiterhin on Woge, und haben, bis auf den Biß, fast immer dieselben Werte wie ihre gasösen Brüder mit den größeren Bubbels. Prost. Ach ja: man kann auch, was nicht bei Arius steht, Pfannkuchen aus der Tüte damit anmachen - was der Lockerheit merklich hülfe, äßen wir sowas. WING
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Stephan Clauss: Essig. Der Guide für Kenner und Feinschmecker Claus Arius: Mineralwasser. Der Guide zu 170 Marken aus aller Welt. Beide Rolf Heyne, München 1996, 216 /235 S., 44.- DM |