ESSEN

Eat it!

Unserem Redaktionskaloriker geht der volle Bauch über die Lippen

Wenn ich verspreche, ihn nicht zum Essen einzuladen, sagt mein Chef, darf ich ab sofort ein bißchen aus der Küche plaudern. Und weil ich nicht so aussehe als äße ich Spargel, fang' ich mit Frikadellen an. Bzw. zwei sehr unterschiedlichen Büchern über sehr unterschiedliche Nahrungs-Aufnahme-Aspekte, beide mit Bouletten-Kapiteln und gut abgehangen aus dem Herbst.
Im ersten erzählt Christoph Wagner, Testesser und Millau-Ober-Mütze, von dem was er für Fast schon Food hält, und Die Geschichte des schnellen Essens gibt's als Untertitel dazu. Haut's weg, denn Wagner labert zwar Kulturkritik aus der Ketchupflasche über alles (Hamburger seien das Manna des American Dream, etwa. Und Cola sein Credo, wie?), aber er weiß auch viel (das Hamburger-Kapitel ist sogar noch etwas belsesener als die anderen) und als Sättigungsbeilage setzt es politökonomische Berats-Kartoffeln ("wo Whimpy den Hamburger im unmittelbaren Umfeld von öffentlichen Verkehrsmitteln und Arbeiterklasse plaziert hatte, da stellte McDonald's die modernere Verbindung zu Auto, Kinder und Familie her").
Wichtig auch: eigentlich haben wir Europäer das "Junk Food" erfunden, die Amis haben es nur so getauft (am 18.12. 1972 im Time Magazin) und "Sushi" steht den "Kutteln" so fern nicht. Und am wichtigsten: das Buch darf, kann und sollte man mit Stäbchen lesen, langsam, mit Kaupausen für die Fußnoten ... und einem Espresso gegen gelegentliche Wort-Quellungen ("Jahrmarkt der Wurstigkeit" bruhaha).
Dann: Knoblauch zum Frühstück. Mit Wandertips durch die Ägäis. Von Daniel Spoerri, der eigentlich Künstler ist (festgeklebte Mahlzeits-Reste hochkant, wenn wer das kennt), aber Ende der 60er mit Begleitung das Land der Griechen mit dem Gaumen heimsuchte. Und wunderbar unprätentiöse Notizen davon heimbrachte, und jetzt neuveröffentlichte, und um eine limitierte Luxusausgabe ergänzte, deren Textil-Einband man erstmal als Tischdecke verwenden muß, bevor man ihn rahmen und weiterverkaufen kann.
Unsereiner liest bloß: Rezepte, Reiseeindrücke, Dorfleben ... und einen neuen Bouletten-Anhang, der vom klassischen Keftedes-Klops bis zu Wundersamem aus der isländischen Küche führt (kein Suaerkraut, keine Linsen). Alles geht durcheinander, Nachkochen wird's kaum jemand (vegetarisches Beefsteak aus Kürbissen? In Zitronenöl?), aber eine Ahnung vom lebendigen Beigeschmack des Nahrungswesens, ein Hauch von Blut (obwohl Bifteki natürlich durch sein müssen) am Pfanneboden - doch, ja, das nehmen wir gern nochmal auf die Zunge. Spätestens beim nächsten Inselurlaub. Oder Grillfest.
WING
Christoph Wagner: Fast schon Food. Die Geschichte des schnelles Essens Campus, Frankfurt 1995, 320 S., DM 48.-
Daniel Spoerri: Gastronomisches Tagebuch. Itinerarium für zwei Personen auf einer ägäischen Insel nebst Anekdoten und anderem Kram sowie einer Abhandlung über die Boulette Edition Nautilus, Hamburg 1995, 268 S., DM 39.80