EROTIK

Klassiker

Dass Erotik und Tabu doch ab und zu was miteinander zu tun haben, belegt dieses Bild aus dem Jahr 1955, auf dem Anne Desclos partout nicht als Autorin von Geschichte der O erkannt werden wollte, unter den Pseudonymen Dominique Aury und Pauline Réage veröffentlichte und auch während der Romanpräsentation (mit Albert Simon (li.) und Raymond Queneau) nicht erkannt werden wollte. Das schöne Bilddokument entnehmen wir dem Band 50 Klassiker - Erotische Literatur von Barbara Sichtermann und Joachim Scholl. Ob das, was sie da präsentieren wirklich alles "Klassiker" sind, darüber kann man streiten. Aber dass sie ihre Funde - vom Hohelied Salomons über Lysistrata bis zu Henry Millers Sexus kundig und gut lesbar präsentieren - darüber kann es keinen Zweifel geben. Jeder Titel wird in seiner zeitlichen und historischen Bedeutung und in seiner Rezeptionsgeschichte kurz & gut vorgestellt, und obwohl die Reihe "50 Klassiker" im eher betulichen Gerstenberg Verlag erscheint, ist hier schon mal ganz locker vom "in den Arsch ficken" die Rede, was erstens natürlich wörtlich gemeint ist und O-Ton der Autoren, kein Zitat. Der lockere Umgang mit dem Thema "Erotische Literatur" erspart uns auch verdruckste Essays über den Unterschied von Erotik und Porno, und die Autoren betonen lieber, dass so ein "Unterschied" in der Antike keinen Sinn gemacht hätte und erst das prüde Christentum für Probleme sorgte. Der Band ist nett bebildert und bietet zu jedem Buch weiterführende Literatur oder Verfilmungen an, und dass Goethes Römische Elegien drin sind und die Canterbury Tales nicht, ärgert uns doch!

Barbara Sichtermann / Joachim Scholl: 50 Klassiker - Erotische Literatur von Gerstenberg, Hildesheim 2011, 271 S., 22,8 x 16,2 x 1,8 cm, mit zahlr. Abb., SC, 19,95