MÄNNER & FRAUEN

Luschen am Gerät

Deutsche AutorInnen und ihr ziemlich totes Innenleben - zwei Geschichtensammlungen

Lustvoll und respektlos, witzig und durchtrieben - so schreibt die junge Generation" tönt der stets etwas zu laute Eichborn Verlag, um die Geschichtensammlung Bitte streicheln Sie hier! anzupreisen. Zusammengestellt von der 30jährigen Journalistin Susann Rehlein, schreiben 30 bis 40järige Deutsche über Körperliches, aber - bitte mit Kunstanspruch! "Erwarten Sie von diesem kultivierten Büchlein bitte nicht, daß man darin stöhne und schwitze und vögle und ficke" warnt die Herausgeberin, deren Stil auf der Eichborn-Skala wohl unter "witzig" geführt wird.
Nein, gefickt wird wirklich nicht, wenn Karen Duve, John von Düffel, Marcus Braun, Arno Geiger oder Arne Roß ihre Vorstellungen von dem ausbreiten, was sie unter "erotisch" verstehen. Da wird traurig aus dem Fenster geguckt, im Biergarten gesessen, gerne monologisiert, den Mädchen unter die Röcke geguckt. Spaß macht das alles nicht, den Protagonisten nicht, und dem Leser schon gar nicht.
Und wenn sonst sich auf nichts zu einigen wäre: Erotik soll doch das Leben bereichern! Das trostlose Leben dieser Autoren scheint diesen Anspruch längst aufgegeben zu haben - Erotik ist, wenn ein Körperteil oder ein Sekret erwähnt werden. Erotik ist, wenn sie nackt am Fenster steht, ihr das Sperma die Beine herunterläuft und er sich nicht traut zu sagen: mach das weg!
Wenn der deutsche Mann eine Frau streichelt und dabei erotisch empfindet, liest sich das so: "Meine Hand suchte in ihr, als hätte ich dort den Stein der Weisen verloren" - so wird das ja auch nichts.
Die gleiche traurige Bagage begegnet uns wieder in dem Taschenbuch Die Akte Ex - Abrechnungen mit der Liebe von gestern - da sind sie natürlich in ihrem Element. Hier darf das verwundete Seelchen ausgebreitet werden, im Kneipengespräch, in Briefen, an der Gegensprechanlage eines Hochhauses - "Die Kerzen brannten alle noch, als Max und Ingrid das Geburtstagsfest des Agenturleiters verließen" - hier pulst das Leben!
Ergänzt um die Talente Sky Nonhoff, Alexa Hennig von Lange, Tanja Dückers und andere, erstaunen wiederum das mangelnde Empfinden, das ständige Verwechseln von Trauer und eitlem Selbstmitleid, und die gähnende innere Leere. Die Herzen sind tot - das ist ja ein Zustand, aus dem sich was machen ließe! Aber im Hirn ist auch nix mehr - das geht gar nicht: "Ich hatte mich nicht getäuscht, nicht nur ihre Stimme, auch ihr Blick war flammend, sie kämpfte sich von Minute zu Minute." Das geht dem Leser dieses Bändchens nicht anders.
Damit keine Mißverständnisse bleiben: die hier versammelten Autoren sind nicht irgendwelche Freizeitschreiber, die ein fauler Anthologist sich aus dem Branchenbuch zusammengesucht hätte (unter "Uö wie "Unbegabte Texterö) - sie sind die deutsche Hoffnung, oft schon preisgekrönt, mit Stipendien versehen, beim Ingeborg Bachmann-Wettlesen belobigt, vielfach veröffentlicht und hofiert. Das ist das Elend. Oder wie einer der jungen Götter in den autobiografischen Angaben verbreiten läßt: "Lebt als freier Autor, Student und Snowboarder in Innsbruck." - Hals- und Beinbruch!
Victor Lachner
Susanne Rehlein (Hg.): Bitte streicheln Sie hier! 22 erotische Geschichten, Frankfurt 2000, 192 S., 29,80 DM
Leander Scholz / Michael Zöllner (Hg.): Die Akte Ex. Abrechnungen mit der Liebe von gestern rororo Nr. 22669, Reinbek 2000, 284 S., 14,90 DM