STORIES
Mein progressiver Alltag
Jochen Schmidt schreibt über Jochen Schmidt
Normalerweise liest der Ost-Berliner Jochen Schmidt seine Texte vor, Seine großen Erfolge präsentiert diese Texte jetzt als Buch. Schmidts Texte handeln fast alle von Jochen Schmidt: wie er nicht einschlafen kann, wie er mal in München war, warum er in der Schule ein Attest bekam, das ihn vom Singen befreite. Dabei entsteht das (zu) oft gezeichnete, natürlich ironisierte Bild des tolpatschigen Künstlers als Messie, als einsamer Chaot, der nie die Mädels abkriegt und sich nicht traut, seinem Nachbarn zu sagen, er solle seine Techno-Mucke mal leiser stellen.
In den Texten sind immer wieder hübsch gesetzte Pointen und Beobachtungen: "Am Flughafen. Es gibt Zeitungen umsonst. Als Ossi nehme ich natürlich alle. Erstaunlich, in jeder steht, was der Fußballspieler Jens Jeremies gesagt hat, trotzdem liest man es immer wieder gern. Man vergißt es ja auch jedesmal sofort wieder."
In zwei Texten befreit sich Schmidt vom Zwang zur Selbstbeobachtung. Einmal geht es um einen Amateur-Pornofilmer, ein anderes Mal um ein Weichei, das in einer Survival-Zeitschrift für Männer gelesen hat, wie man eine Frau erobert - das sind knapp und präzise gefaßte Satiren, wohingegen Schmidt bei der ständigen Nabelschau doch oft ins Schwafeln gerät.
Am schönsten aber ist der Klappentext. Da wird versprochen, hier werde "der vermeintliche Alltag entlarvt". Das muß man sich einmal vorstellen.
Victor Lachner
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