TRAUER

Tote Ente

Peter Careys Seelenreparatur

Am Anfang ist es nur etwas seltsam, dass wir uns für eine Uhrmacherin interessieren sollen, die in einem Londoner Museum arbeitet und eine geheime Affäre mit einem Kollegen hat. Dann stirbt dieser und der weise Chef schickt Catherine, die nicht offen im Büro weinen will, tief in den Keller, um ein kaputtes Exponat aus dem 19. Jahrhundert zu reparieren.

Konzentration und Einsamkeit helfen gegen die Trauer und die dabeiliegenden historischen Notizen eines Spieluhren-Fans öffnen den tiefer liegenden Boden des Buches. Damals reiste ein englischer Industrieller nach Deutschland, um sich von den mechanischen Zauberern im Schwarzwald statt einer Kuckucksuhr eine berühmte Ente nachbauen zu lassen. Die faszinierte noch ein Jahrhundert früher die Welt, weil sie nur mit Federzug und Unruhe im Bauch täuschend echt lebte, ja angeblich sogar fraß und verdaute.

Dem Reisenden, Catherine und dem Autor geht es offenbar darum, mit Fingerfertigkeit, Präzision im Kleinsten und nicht nachlassendem Einfallsreichtum, so etwas wie das Leben selbst zu rekonstruieren. Oder das eigene Leben zu reparieren. Das gelingt Carey über weite Strecken sehr gut. Vor allem die bunten, prallen und zunehmend abenteuerlicheren Erlebnisse des Reisenden auf der Suche nach der toten Ente faszinieren, und es hilft sehr, sie durch die Augen Catherines zu lesen, die sich dann auch mal für uns darüber beschweren darf, dass der Bericht allmählich eher die Logik eines Drogenrausches ausstrahlt.

Die Wissenschaft lappt über ins Wunderbare, der lebensimitierende Automat, der Nachbau der Ente, der schließlich ein Schwan wird, wird zum Glücksgerät, ganz anders als in der bekannteren Frankenstein-/Roboter-Deutung des künstlichen Wesens. Da wird Carey dann etwas arg mystisch. Und vergisst fast völlig, noch etwas über die Chemie der Tränen zu sagen. Außer, dass der mechanische Schmierstoff des Sehapparates scheinbar ganz unnötig die Zusammensetzung ändert, wenn Gefühle mitwirken.

Wing

Peter Carey: Die Chemie der Tränen. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. S. Fischer, Frankfurt 2013, 319 S., 19,99