EVOLUTION II

Gen-Revolte

Greg Egan bringt Quantentheorie und Genetik zusammen

Wenn Greg Egan ein Thema dramatisiert, dann aber auch richtig: Teranesia handelt von Evolution, Keimzellen, Genen, Mutationen, und was der Australier in diesem ansonsten sehr romantischen Roman ausbreitet, erfordert schon mal den Blick in längst beiseite gelegte Biologie-Bücher. Denn hier werden nicht nur en detail Vorgänge der DNS-Reproduktion diskutiert, Egan stellt auch die Theorie einer "quantenbewußten" Genveränderung in den Raum. Mutter Natur weiß nämlich doch, was sie tut, wenn sie Mutationen hervorbringt, weil sie nämlich auf verschiedenen Quantenebenen Erfolgschancen durchspielt ...
Aber dahin kommen wir erst am Schluß. Erzählt wird die Geschichter des Inders Prabir, der mit seinen Eltern auf einer Forschungstation lebt, auf einer indonesischen Insel, die auf keiner Karte verzeichnet ist und die Prabir "Teranesia" tauft. Der Roman beginnt im Jahr 2010, das javanesische Reich zerfällt, Regierung und Separatisten bekämpfen einander. Prabirs Eltern sterben in Folge des Krieges. Fortan hat Prabir nur noch eine Aufgabe: für seine kleine Schwester Madhusree zu sorgen. Das wird ihn am Ende zu jener Insel zurückführen, auf der seine Eltern seltsam mutierte Schmetterlinge beobachteten. Gemeinsam mit der Biologin Martha Grant versucht Prabir, das Rätsel der Mutationen zu lösen.
Die Geschichte ist spannend und witzig, Egans Figuren sind glaubwürdig und rätselhaft, sein Stil ist, wie immer, präzise und sentimental. Seitenhiebe auf Religion, Wissenschaft und Vorurteile gibt's seitenweise, ohne dass Teranesia ein Dialog-Roman wäre.
Letztlich ist er aber, wie jedes Buch von Egan, ein Thesen-Roman, und vor allem gegen Ende werden wir tief in biologisch-genetische Fachdiskussionen verwickelt, die in ein wundersam unglaubwürdiges Ende führen. Trotzdem bleibt Egan einer der wichtigsten Autoren der gegenwärtigen Science Fiction, weil er die aktuelle wissenschaftliche Diskussion und politische Gegebenheiten zusammenbringt. Denn das ein Evolutionssprung auf einer indonesischen Insel lange Zeit unbeobachtet bleibt, hat eben auch was mit der politischen Situation zu tun.
Alex Coutts
Greg Egan: Teranesia. Aus dem Englischen von Bernhard Kempen. Heyne Nr. 6362, München 2001, 382 S., 16,90 DM