GUT GEFÄLSCHT
Rotbarts Sohn Umberto Eco ist wieder im Mittelalter Grob gesagt ist Semiotik die Kunst, mehr aus einem Zeichen herauszudeuten als jemals an Bedeutung hineingelegt wurde. Das macht Spaß, und der Semiotik-Professor Umberto Eco hat über diesen Spaß drollige Aufsätze und zwei gute Romane geschrieben. Sein neuer Roman Baudolino handelt im wesentlichen davon, wie man Texte erfindet und fälscht. Das war im Mittelalter eine häufige Methode, um etwa Herrschaftsansprüche zu legitimieren; die "Konstantinische Schenkung", in der Kaiser Konstantin dem Papst Wohnrecht auf ewig im Lateran einräumte, ist die berühmteste Fälschung. Ecos Held Baudolino ist ein (erfundener) Adoptivsohn von Kaiser Friedrich Barbarossa, der sich im 12. Jahrhundert zwischen Deutschland und Italien aufrieb und, so Eco, letztlich an der Eigenwilligkeit der italienischen Städte scheiterte. Baudolino studiert in Paris, denkt sich dort im Suff mit seinen Kumpels einen Brief des Priester-Königs Johannes an Friedrich aus und hat jahrelang mit den Folgen dieser Fälschung zu kämpfen (der Antwort-Brief des Papstes ist eher auf dem Markt als das "Original"). Was im Rausch begann, wird plötzlich Politik und persönliches Drama. Das ist eine nette Idee. Aber selten hat man derart lustlos konstruierte Romanfiguren gesehen wie hier. Die Erzählsituation ist ebenso unglaubwürdig wie langweilig, Kapitel reiht sich an Kapitel, ohne dass eine Entwicklung zu erkennen wäre. Stattdessen hat man endlose Reden zu erdulden, wie sie in ihrer ornamentalen Pracht damals üblich gewesen sein mögen, dennoch höchst ermüdend zu lesen sind. Baudolinos Ehe dauert gerade mal drei Buchseiten. Baudolino ist ein gut gefäschtes Sachbuch über das 12. Jahrhundert. Als Roman ist es ein Langeweiler sondergleichen. Victor Lachner
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Umberto Eco: Baudolino. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Hanser, München, 2001, 600 S., 49,80 DM |