PROGNOSEN

Goldene Tage

Freeman Dyson guckt in die Zukunft

Glauben sie mir nicht, sagt Freeman Dyson, Mathematiker, Physiker, Astronom und Technikphilosoph, glauben sie mir bloß nicht - aber hören sie genau zu. Bzw. lesen sie mit. Die Aufsätze in Die Sonne, das Genom und das Internet. Wissenschaftliche Innovationen und die Technologien der Zukunft, waren mal Vorträge an der Stadtbibliothek New York. Das erklärt ihre Eingängigkeit.
Aber sie sind auch sowas wie die Quersumme eines vollen Wissenschaftlerlebens. Das erklärt ihre Ausuferungen. Von billigen Weltraumtransportern zu gentechnisch verändertem Raps, der Benzin scheisst; von der Kritik radikaler Wissenssoziologen (á la "Quantenmechanik ist ein männliches Konstrukt") bis zu solarbetriebenen Netz-PCs, die Afrika an die Welt anschliessen ... Dyson hat zu allem was Interessantes zu sagen. Und er bleibt immer sehr nah an den harten Fakten, mit dem Blick auf die Werkzeuge der Forscher, die echte Arbeit am Budget.
Und einem etwas naiven Herzen für das Soziale. Das Internet, das ihm seine Tochter Esther "Release 2.0" Dyson beigebracht hat, kann nur segensreich wirken, wenn nicht ganze Kontinente ausgeschlossen werden ... sogar die sauteure Raumfahrt würde nützlich für die Massen, wenn sie billiger wäre ... "und Ethik die Technik in Richtung auf sozialen Fortschritt lenkt".
Ach, Dysons eigene Analysen zeigen, dass Ethik sowas nicht macht (sondern der Markt); und Dyson selbst sagt immer wieder, alle Voraussagen von jedem Experten seien immer größtenteils falsch. Wäre schade, wenn er bei seinen auch recht hätte.
WING
Freeman J. Dyson: Die Sonne, das Genom und das Internet. Wissenschaftliche Innovation und die Technologien der Zukunft. Übersetzt von Michael Bischoff. S. Fischer, Frankfurt 2000, 221 S., 32.- DM