KRIEGSFOLGEN

Der kleine Widerstand

Ein Mann desertiert - Zoran Drvenkars »Yugoslavian Gigolo«

Branko macht schon morgens 60 Liegestütze. Denn Branko will fit bleiben: als Gigolo beglückt er im kroatischen Krizevci Touristinnen, vorwiegend deutsche. Für Geld macht er den Macho, die Arbeit ist anstrengend, wobei ihm weniger der viele Sex zu schaffen macht als die viele Nähe. Branko will lieber allein sein.
Eigentlich ist Branko auf der Flucht, die Geschichte spielt 1991, Branko wurde zur kroatischen Miliz eingezogen, um gegen die serbische Bundesarmee zu kämpfen. Nach einem Heimaturlaub setzt er sich ab, er will einfach nicht mehr zurück. Ich bin nicht feige, sagt er, ich will nur nicht sterben.
Yugoslavian Gigolo ist ein seltsam unfertiges Buch. Obwohl Zoran Drvenkar nach eigenen Angaben 10 Jahre lang daran gearbeitet hat, wirkt es unbehauen, ungeformt, unschlüssig. Drevenkar, sonst eher Jugendbuchautor und zuletzt auffällig geworden durch den furiosen Psycho-Thriller Du bist zu schnell, wollte ganz offensichtlich die eigene Biografie (er kam mit drei Jahren nach Deutschland) mit dem politischen Schicksal seiner Heimat verbinden.
Branko ist einer, der ausbrechen will, aber er weiß nicht, warum. Er hört alte Männer darüber reden, wie gerne sie wieder in den Krieg zögen (und dann ihre Söhne hinschicken), aber das Buch hat keine Meinung dazu. Der Krieg bleibt weit weg, ein böses Gerücht beinahe.
Das ist als dramaturgischer Dreh durchaus gelungen, aber der Leser hat so nichts anderes als den Ich-Erzähler Branko, und der ist, in seinem dumpfen Machismus, seiner Geilheit und Gewaltbereitschaft, ein ziemlich öder Held. Sein Sex ist brutal (ein neuer Trend in der Literatur: Hassficken?), seine Gedanken sind schlicht. Als in der Metzgerei, in der er tagsüber arbeitet, ein Verräter enttarnt wird, beteiligt er sich gleichmütig an dessen Hinrichtung. Später flieht er nach Deutschland, aber selbst dort holt ihn die Gewalt ein.
Das Buch, karg im Stil und präzise in den kleinen Beobachtungen, ist rätselhaft bis zum sentimental-blutigen Ende. Es lässt die Idee zu: die Gewalt, vor der Branko flieht, trägt er längst in sich, er kann ihr nicht entkommen.
Wie viel Mut es erfordert, sich dem Krieg zu verweigern; wenn alte Männer im Blutrausch sind, einfach "neinö zu sagen; wenn die eigene Mutter einen verrät - diese leere Verzweiflung auszuhalten: das zu beschreiben ist Drvenkar eindringlich gelungen.
Victor Lachner
Zoran Drvenkar: Yugoslavian Gigolo. Klett-Cotta, Stuttgart 2005, 278 S., 18,50 ISBN: 3608937331