BEOBACHTUNGEN
Mistkerle & Mittelfinger
Wiglaf Drostes gesammelte Aufsätze über Gott und die Welt und Wiglaf Droste
Solange man nicht den Fehler begeht, Wiglaf Droste für einen politischen Essayisten zu halten, kommt man prima mit ihm klar. Der infrarote Korsar enthält Aufsätzchen zu den Themen Liebe, Musik und Wiglaf Droste. Da beschreibt er die anrührende Beobachtung, wie ein junges Pärchen aus einem Kaurismäki-Film kommt und der Junge, noch sichtlich aufgewühlt, seine Süße fragt: "Und?" - und sie sagt: "Pfffh. Das muß man ja wohl nicht so ernst nehmen!" - und Droste steht daneben und denkt sich: "Renn, Junge, renn, du hast den Quell des Unglücks berührt!"
Über Frauen fallen Droste sowieso die schönsten Sätze ein : "Frauen dürfen, außer blöd sein, so ziemlich alles. Aber nicht schlurfen! Schlurfende Frauen rauben einem den Lebensmut. Man kann dann nicht mehr." Und, mein Lieblingstext: Zwei Frauen sitzen in der U-Bahn, Droste lauscht. Und die Eine schwärmt von ihrem Freund, der sei verständnisvoll, lustig, klug, einfühlsam, albern, ernst - und, fragt die Andere, wo ist der Haken, hat er 'nen Buckel oder Frau und Kinder? Und dann fällt der ersten auf: "Ich hasse Abhängigkeit! Der Typ hat doch einen Plan. Der macht das mit Absicht, der will mich drankriegen, und wenn er mich richtig am Haken hat, zeigt er sein wahres Gesicht! Ich werd dem verdammten Mistkerl den Finger zeigen!" - so kompliziert ist es manchmal im menschlichen Leben.
Eher peinlich wird's, wenn Droste zu viel über Droste schreibt. Sein Text etwa wie ihm Johnny Cash zweimal des Leben rettete, ist geradezu heilloser Kitsch; Liebeskummer entschuldigt nicht alles.
Wenn Droste über George Bush, Claudia Roth, Rudolf Scharping oder Gerhard Schröder schreibt, bleibt er meistens in seinen Wortspielen stecken, dass er die Bande für irgendwie mies hält, vermittelt sich so gerade, als politische Analyse ist das alles eher banal. Dafür fallen ihm dann aber auch wieder schöne Sätze ein wie der zum Anschlag auf das World Trade Center: "Der 11. September gilt als Geburtsstunde der bemannten fliegenden Architekturkritik."
Thomas Friedrich
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