VAMPIRE

Lange Zähne

Ein halbwegs seriöses Handbuch über Dracula und die ganze Bande

Morgen glauben die Kinder womöglich, Hollywood hätte den Vampir erfunden, so wie wir noch in der Schule lernten, es sei Bram Stoker gewesen. Christine Klell und Reinhard Deutsch wissen es besser. Sie haben ein Handbuch der Vampire zusammengestellt, das sehr ernsthafte Fakten, ausgewählte Mythen, schlechte Witze und ein paar Frechheiten zum Thema enthält; viel Fleisch, viel Blut, wenig Unverdauliches.

Den eher buchkünstlerischen Zugriff Frau Klells sieht man am doppelten Schutzumschlag, der das Buch wahlweise in tief schwarz oder krankgrün erscheinen läßt, an den nicht aufgeschnittenen Geheimseiten in der Mitte, die aber nur ausgemachten Blödsinn enthalten, und an einem Daumenkino mit Sonnenauf- und untergangszeiten am unteren Seitenrand, das viel zu fein für Fledermaus-Klauen ist.

Herr Deutsch schüttelt dazwischen Wichtiges und Unfug zum ewigen Wiedergänger zusammen, erwähnt, dass es vor "Dracula" Vampirgeschichten und vor "Nosferatu" mindestens einen Vampirfilm gab, analysiert Stokers Roman und druckt vergessene Texte von frühen Vampirdichtern nach. Schwerer Stoff. Auch die Herkunft des Blutsauger-Mythos aus Volksmund, falschverstandener Lichtallergie und Scheintod wird erörtert und der böse historische Vlad Tepes ordentlich frei gesprochen. Alles ist gut. Dazwischen aber rabauken Vampirhoroskope und knoblauchfreie Nudelrezepte herum und seitenlange Episodenlisten von Dracula-Filmen, Dracula-Büchern, ja sogar Kindervampir-Animationsserien verschwenden bloß Papier.

Endgültg eigenwillig wird das Handbuch, wenn es die Vampire der realen Kulturgeschichte von den frühen Ghoul-Vorläufern an völlig gleichberechtigt neben die verwickelten Stammbäume der modernen Rollenspiel-Vampire stellt, und die Autoren auch noch eine eigene dunkle Verwandschaft dazuwitzeln dürfen. Das ist ein Schluck zu viel aus der Ader.

Wohlgemerkt: Es ist eine hübsche Idee, Mythos und Wahrheit gleich zu behandeln, Dracula als Edwards Bruder und Stephenie Meyer als eine Art Tante von Jonathon Sharkey, der letztes Jahr eine Unabhängigkeitserklärung seiner Vampyre-Nation in den USA einreichte. Aber Oma Klell und ihr Staubsauger gehören nicht dazu.

Wing
Christine Klell & Reinhard Deutsch: Dracula - Mythen und Wahrheiten. Ein Handbuch der Vampire Styria, Wien 2010, 288 S., 29,95