Netz von innen Douglas Coupland kalauert sich durch die sinnentleerte Gegenwart Seit 30 Jahren ist er der wilde junge Mann im Nacken des Establishments, der schon Verknöcherungen kritisiert, wo andere noch der Mode nach laufen, der als ganze Generationen erkennt, was sonst jeder für eine Postadoleszensverirrung hält. Am Anfang war die "Generation X" und wurde ein Sprichwort, dann kam die "Generation A" als neuer Aufbruch in einer nahen Zukunft, dann kamen viele freche Bücher in immer seltsameren Schreibweisen, ein SMS-Roman, Web 2.0-Experimente. Und nun das erste Buch der Welt, das neben einer richtigen Handlung auch die ersten 1000 Ziffern von Pi nach dem Komma enthält. Sowie weitere garantiert nutzlose Listen und seitenweise dazwischen gedruckte Scherze, so dass sich J Pod liest wie eine Sitcom bei Fox. Erst eine Unterbrechung, dann ein Witz, dann eine Unterbrechung, dann eine überraschende Wendung, und dann wieder von vorne. Es gab übrigens wirklich eine TV-Serie nach dem Buch, sie begann mit Episode 5 und endete mit Episode 13, angeblich wegen Zuschauermangel, aber wir wetten, dass Coupland das genau so plante. Der J Pod in Roman und Serie ist das Büro-Verlies einer Gruppe Spiele-Programmierer, deren Nachnamen zufällig alle mit "J" anfangen, die eigentlich nur noch ein bisschen am neuen Skateboard-Knaller polieren sollen, aber ständig von der ignoranten Geschäftsleitung, Nebentätigkeiten als Drogen-Kurier und furchtbar viel Zeitvertreibs-Anforderungen aufgehalten werden. Flatterhaft und wenig aufmerksamkeitsstark bilden Couplands flache Charaktere ein Bestiarium der Google-Generation, die zu allem und jedem schnell die tollsten Infos auftreibt, aber wenig Interesse an Zusammenhängen hat. Während das zentrale Spiel allmählich in Fetzen relauncht wird, weitet sich der Plot zu einer Art Wirtschaftskrimi mit verrückten Drehs: Eine elterliche Marihuana-Plantage und ein toter Rocker, ein chinesischer Sweatshop und ein verschleppter Chef, ein gewisser Douglas Coupland, der der Hauptperson den Laptop mit seinem Blog abschwatzt, eine veritabler Guerillaanschlag, um Ronald McDonald als Sado-Schlitzer in ein harmloses Familienspiel zu schmuggeln. Jeder Subplot allein hätte in bedeutungsvolleren Tagen eine komplette Satire getragen, heute feuert das Buch aus allen Rohren und trifft nicht mal einen Spatz. So fliegt allmählich das ganze Buch auseinander. Douglas, der Schalk, setzt auf seinen Narrenspiegel einfach anderthalbe und amüsiert uns mit so vollen Händen, dass man sich einen Adblocker wünscht, um ganze Beiseite-Threads einfach mal ausblenden zu können. Andererseits: Douglas, das Arschloch im Buch, hat am Ende etwas erfunden, das vielleicht als "J Pod" den I Pod ablösen könnte. Eine Art Welt-Sinn-Maschine, aber bevor wir verstehen, was er uns außerhalb des Buches damit sagen will, kann seine Hauptperson nur noch sagen: "Was für ein Arschloch muss ein Autor sein, um ein Buch zu beenden, wenn es gerade gut läuft?" Dann ist es aus. Wing
Douglas Coupland: J Pod. Aus dem Amerikanischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Klett Cotta, Stuttgart 2011, 528 S., 24,95
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