HANS DOMINIK
Der stählerne Traum Der Heyne-Verlag rettet einen heiklen Autor vor der eigenen Vergangenheit. Zur kritischen Gesamtausgabe War das nötig? Ein schwerblütiges Ingenieur-Abenteuer von 1926 jetzt noch einmal herausbringen, das mit dem Angriff sowjetischer Luft-Kriegs-Schiffe auf Deutschland beginnt und beinahe im atomaren Weltuntergang endet? Mußte man Das Erbe der Uraniden wirklich mit Tagebuchnotizen ergänzen, in denen der Autor die "Machtergreifung" begrüßt - aber auch aufs Zensuramt bestellt wird, weil der präzise Beobachter neben roten Schlägern staatstreue jüdische Redakteure verzeichnet? Man muß nicht, aber man sollte wohl doch, denn immerhin ist Hans Dominik noch der meistverkaufte Zukunfts-Autor deutscher Sprache; im Ausland strikt unbekannt, in der Gemeinde schamhaft verschwiegen, und in den verbreiteten Büchern fast nicht mehr wiederzuerkennen. 1941 verboten die Nationalsozialisten Dominiks "stählernes Geheimnis" von 1934, in der DDR stand er von Anfang an auf dem Index, in der BRD wurde er in rabiat "entschärften" und bis um die Hälfte gekürzten Fassungen noch einmal populär - bis in die 70er Jahre wurde Dominik der Karl May des Weltraums; ihm ähnlich darin, persönliche Malaisen verschlüsselt in seinen Romanen zu lösen. Auch vergleichbar in der Popularität und in der mehrfachen, tiefgreifenden Verstümmelung seiner Bücher. Aber wo May mit abenteuerlichen Reisen begann und mit universaler Friedens-Mystik endete - da legte Dominik gleich mit spirituellem Welttheater los, um etwa ab 1933 ein "harmloser" technischer Märchenerzähler zu werden. Zum 125. Geburtstag Dominiks (15. November 1997) begann der Heyne Verlag eine 21 bändige Gesamtausgabe mit aufwendig rekonstruierten Originaltexten, Essays zu Leben und Werk, Tagebuchauszügen und allerlei Rechtfertigungs-Notizen: Dominik war kein Rassist, Dominik komponierte clever, Dominik hielt das Großkapital für genauso schlimm wie den Kommunismus ... nun ja. Dominiks Helden sind trotzdem fast sämtlich deutsch, immerzu bedrohen Chinesen, Mohammedaner und andere fremde Massen Europa, immer wieder retten Einzelne die Welt ... und er schreibt, pathetisch, bis zur Unlesbarkeit manieriert, über die Schrecken der Moderne, die nur Tatmänner mit Schraubenschlüssel und Weltseele meistern können. Im Erbe der Uraniden etwa, dem gerade erschienen 5. Band der sehr langsam vorankommenden, aufwendigen Gesamtausgabe, richten skrupellose Ingenieure im Sold der sich zerfleischenden Systeme von Sowjet und Wallstreet einen atomaren Globalbrand an, Kränkelnde Außerirdische auf der Venus haben die Technologie, ihn zu stoppen (Perry Rhodan steht tief in Dominiks Schuld), ein Raumschiffrennen zu den Rettern hebt an ... aber die wahre Erlösung macht ein einsamer Deutscher, vor aller Welt als Kriegsschuldiger verleumdet, im Hintergrund klar. Die "Nähe zu Hitler" ist dem Herausgeber auch aufgefallen, und er gibt im Anhang alle Stellen, die Dominik desavouiren, im ausführlichen Zitat. Und etwas händeringend Material, um Dominik doch edler dastehen zu lassen als es nötig wäre. Da kann dann jeder selber forschen: Dominik ist als technischer Unterhaltungsschriftsteller ein interessantes Phänomen, als Roman-Autor ist er, unkommentiert, eine Katastrophe, als Zeitgeist eine nicht ganz eindeutige Zuumutung ... Gut, daß es jetzt die Gesamtausgabe gibt. Einen anderen Dominik (was die Textgestalt angeht) wird es danach nicht mehr geben können; was die Beurteilung angeht, wird ein anderer Dominik durch sie erst möglich gemacht. WING
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Hans Dominik: Das Erbe der Uraniden. Band 5 der Gesamtausgabe. Nach den Originaltexten herausgegeben von Holger Miehlke. Heyne, München 1999, Heyne-SF Nr. 8115, 475 S., 19.90 DM |