Sport

Heroen des Fahrrads

Dino Buzzati schrieb 1949 über den Giro dī Italia

Sportberichterstattung soll ein möglichst genaues Bild von sportlichen Ereignissen geben. Mit Literatur hat das naturgemäß meist wenig zu tun. Eine Ausnahme von dieser Regel ist Dino Buzzatis Bericht über den Giro dī Italia. 1949 berichtete Buzzati, einer der bedeutendsten Literaten Italiens, im Auftrag des Corriere della Sera täglich über die 32. Auflage des Giro. Er war kein Experte, entdeckte aber durch seine Berichterstattung den Radsport für sich.

Das lag sicher nicht zuletzt an dem das Sportliche beherrschende Duell zwischen Gino Bartelli und Fausto Coppi, den damals besten italienischen Radsportlern. Ihre Unterschiede verstärkten die Dramatik weiter. Hier der fromme, mitunter ruppige Altmeister Bartelli aus der Toskana, der mehrere Giros und die Tour de France gewonnen hatte und für das ländliche, alte Italien steht. Dort der junge Herausforderer, der elegante, weltläufige Coppi aus Piemont, der auch schon einen Giro gewonnen konnte. Er ist einer der ersten Profisportler und steht für die beginnende Moderne des Sports.

Anders als heute üblich, ist Buzzati nicht auf O-Töne aus. Er spricht nicht mit den Sportlern, ebenso interessieren ihn Zahlen und Statistiken kaum, die den Kern der heutigen Sportberichterstattung auszumachen scheinen. Buzzati interessieren die Menschen und die Dramatik des Geschehens. So stellt er sich vor, wie die Fahrer am Abend vor dem Rennen von Etappenerfolgen oder gar dem Gesamtsieg träumen. Was mag in einem Abgeschlagenen vorgehen, was in dem Führenden? Und welche Gedanken mögen erst Bartelli und Coppi wälzen? Den Zweikampf der beiden vergleicht er mit dem zwischen Hektor und Archilleus. Auch Doping gibt es bereits. Buzzati hält es für kaum erwähnenswert. Er spricht von "Bomben", die sich die Fahrer zur Leistungssteigerung einwerfen. Ausführlich werden Land und Menschen beschrieben. Die Spuren des Krieges sind noch überall sichtbar. Sehr berührend wird das geschildert, als es am Monte Cassino vorbeigeht, an dem eine der schwersten Schlachten getobt hatte.

Zu einer Zeit, in der noch nicht Massenmedien täglich rund um die Uhr über sportliche Großereignisse berichteten, war es für die Menschen ein einmaliges, echtes Erlebnis, wenn das Rennen durch ihr Städtchen, ihr Dorf oder zumindest die nähere Gegend führte. Für nur kurze Blicke auf ihre Idole nahmen viele weite Wege auf sich. Nach den Schrecken des Krieges verbindet dieses Ereignis das Land und die Menschen. Die vielen Anekdoten und Beobachtungen machen Dino Buzzati beim Giro dī Italia zu einem lesenswerten Buch, sei es nun aus historischer, sportlicher oder literarischer Sicht.

Olaf Kieser

Dino Buzzati beim Giro dī Italia. Aus dem Italienischen von Michaela Heissenberger. Covadonga Verlag, Bielefeld 2014, 192 S., 12,80