HISTORIEN-KRIMI
Mord auf Walze Jürgen Heinzerling jagd deutsche Klassik-Geister Der Autor hat sich in Fachkreisen mit Artikeln über Lautsprecherbau hervorgetan, seine Hauptfiguren sind von literarisch eher zweifelfhaftem Ruhm oder führen eine Randexistenz in Physik-Schulbüchern. Und dann dreht der Verlag seinem Buch noch kurz vorm Erscheinen den Titel auf den Rücken: Karl May und der Wettermacher handelt eigentlich von dem jungen Physiker Nikola Tesla. Der wird später in Amerika erst berühmt und dann sowas wie der Gründungsvater der Para-Science, 1882 aber sitzt er elegant am Niederrhein und misst Wetterfronten. Dabei trifft er auf einen Schriftsteller in der Schaffenspause, einen Mord, eine Ex-Geliebte, ein paar okkulte Phänomene, vertauschte Identitäten und allerlei sonstige Verwicklungen, wie sie auch in den echten "deutschen" Karl May Romanen damals gang und gäbe waren. Heinzerling erzählt als Tesla gemächlich, altertümlich umständlich, was sich zu trug, was danach geschah und wie die Landschaft drum herum aussah. Sein Hobby kommt nur als abenteuerliche Seance mit Phonographen-Walzen vor, seine Haltung kurz als Notiz in Teslas New Yorker Nachspann: Angst vor Überfremdung sei unamerikanisch und man solle einfach jeden deportieren, der andere nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit deportieren wolle. Ansonsten füllt Heinzerling viel Kolorit in die Handlung; wie war das Studentenleben, das Eisenbahnwesen, die Single-Küche im vorletzten Jahrhundert ... und er lässt genug Kolportage zwischen der Recherche stehen, um den einfach gestrickten Leser am Haken zu behalten. Oder breitet zwei Seiten lang Teslas strategische Überlegungen über Kampfkünste aus, während der Gegner ihn umkreist. Da liest sich Heinzerling entgültig wie Scharly persönlich. Allerdings verliert er. Hat also Humor. WING
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Jürgen Heinzerling: Karl May und der Wettermacher. Herbig, München 2001, 504 S., 44,90 DM / 22,90 EUR |