SCHREIBER
Leiden an der Liebe Leon De Winters recht verschachtelter Schriftsteller-Roman »Leo Kaplan« Leo Kaplan ist Schriftsteller, Frauenheld und wenig überzeugter Jude. Außerdem ist er werdender Millionär, leidet unter einer Schreibhemmung und hat gerade seine zweite Ehe in den Sand gesetzt. Im Rahmen einer Lesereise zu "Hoffmanns Hunger", seinem letzten großen Romanerfolg, reist der Autor, den de Winter mit unübersehbar autobiografischen Zügen versehen hat, nach Italien. Dort beginnt er eine Affäre mit der viel zu jungen Paula, begegnet aber auch Ellen wieder, seiner ersten großen Liebe, die er nie ganz vergessen konnte. Ellen hat inzwischen einen Diplomaten geheiratet, den sie vor einiger Zeit zum ersten mal betrog und der nicht weiß, dass Ellens Sohn in Wahrheit auch Kaplans Sohn ist. Kaplan weiß das allerdings auch nicht. Die Wiederbegegnung zwischen den beiden ehemals Liebenden ist die eigentliche Geschichte. De Winter erzählt diese Geschichte nicht gradlinig, sondern verdreht Vergangenheit und Gegenwart ineinander, lässt sie verschmelzen und gestaltet damit beide Zeitströme gleichermaßen interessant und lesenswert. Allerdings hatte der Roman um den russischen Wissenschaftler Sokolow mehr Kontinuität und wirkte weniger konstruiert, denn der Autor bemüht sich in Leo Kaplan allzu intensiv darum, möglichst viele Gedanken und Themen miteinander zu verbinden. Da gibt es kaum etwas, was nicht berührt wird: Die Probleme eines unproduktiven Schriftstellers. Das Problem der ehelichen Treue. Das Jüdische Problem. Das Problem, überbeschützende Eltern zu haben. Das Problem der Wahrheit. Der Dritten Welt. Des Alters. Es gibt eine Mord- und eine Selbstmordgeschichte, eine Verführungsgeschichte, einen Unfallbericht. Und noch viel mehr. Unzählige Teil-Geschichten, freilich überaus virtuos verknüpft, begleiten die Haupthandlung um Kaplan und Ellen. Alle Geschichtchen haben irgendetwas mit den Ex-Liebenden zu tun, tragen aber nicht dazu bei, dass diese ihre Probleme lösen können. Trotz der Schwächen macht es Spaß, den Roman zu lesen. Humor zeichnet den Helden aus, Selbstironie und Wortwitz. Die Sprache ist lebendig, abwechslungsreich, deutlich und zugleich emotional. Es ist die Sprache eines großartigen Schriftstellers, der in seinem neuen Roman wieder einmal seine Fantasie bewiesen hat und dazu, ganz nebenbei, die immer wieder feststellbare Qualität der niederländischen Literatur. Julika Pohle
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Leon de Winter: Leo Kaplan Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Diogenes, Zürich 2001, 544 S., 46,90 DM. |